Vor 70 Jahren: Triumph am Rothenbaum

Holsteins Torhüter Henry Peper und Stürmer Bruno Wagner klären gemeinsam am Rothenbaum

Am heutigen Mittwoch, dem 14. Dezember, jähren sich sowohl das beste Auswärtsspiel der Vereinsgeschichte als auch der Gewinn der Herbstmeisterschaft in der erstklassigen Oberliga Nord zum 70. Mal. Grund genug, einmal zurückzublicken auf jenen großen Tag, an dem unsere Störche mit „kaltem Blut“ den legendären Rothenbaum stürmten.

Festung Rothenbaum

Für einen Knalleffekt sorgte Holstein damals im Topspiel beim 5:0-Triumph am Hamburger Rothenbaum. Die Atmosphäre in der legendären HSV-Heimstätte galt damals als eng und giftig, das Publikum nicht immer fair – und hat Uwe Seeler und Co. so zu Höchstleistungen angetrieben. Gerade zu Oberligazeiten von 1947 bis 1963 galt der Rothenbaum im Norden als schier uneinnehmbare Fußball-Festung. Man muss sich einmal die Leistungsexplosion der damaligen KSV vor Augen führen, denn noch am ersten Spieltag setzte es eine herbe 0:8-Pleite bei Concordia Hamburg.

Holstein wie im Rausch

Die wie im Rausch agierenden Störche führten schon zur Pause durch die Tore von Walter Wiendlocha und Bernd Oles sowie ein Eigentor des Hamburgers Schnoor deutlich mit 3:0. Nach der Pause sorgte Emil Meier mit seinen beiden Treffern für den aus Hamburger Sicht „unheimlichen“ 0:5-Endstand.

Höchste Heimniederlage

Der Sieg vor 18.000 Zuschauern am Rothenbaum – darunter mehrere tausend Kieler, die mit Sonderzügen aus Kiel und Neumünster angereist waren – war zugleich die höchste Punktspiel-Heimniederlage der Rothosen überhaupt neben dem 0:5 gegen den FC Bayern München in der 1. Bundesliga (Saison 1973/74) und dem 0:5 gegen Jahn Regensburg in der 2. Bundesliga (Saison 2018/19). Die Kieler Nachrichten titelten damals nach dem Kantersieg der KSV: „Störche mit kaltem Blut!“

König ohne Land

Die Holstein Vereinszeitung mahnte bei aller Freude: „Wir wissen, dass die Herbstmeisterschaft nur ein dekorativer Titel ist, ein König ohne Land. Erst die Abschlusstabelle spricht das letzte Wort.“ Am Ende der Saison zogen der HSV als Erster und Holstein als Zweiter in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft der acht besten deutschen Mannschaften ein. Und das trotz der Tatsache, dass Holstein auch das Rückspiel vor 28.000 Zuschauern auf dem Holsteinplatz mit 3:1 für sich entscheiden konnte.

Statistik:

Hamburger SV – Holstein Kiel 0:5 (0:3)

Hamburger SV: Schnoor – Wagner, Laband, Meinke, Posipal, Liese, Börner, Schemel, Harden, Wojtkowiak, Kiepacz

Holstein Kiel: Peper – Morgner, Gräf, Grunewald, Wagner, Oles, Carl, Küchenmeister, Maier, Wiendlocha, Schradi

Tore: 0:1 Wiendlocha (14.), 0:2 Schnoor (36., Eigentor), 0:3 Oles (38.), 0:4 Maier (56.), 0:5 Maier (65.)

Zuschauer: 18.000 am Rothenbaum

Pressestimmen zum 5:0-Sieg der Störche am Rothenbaum damals:

Holstein überfuhr ideenarmen HSV. In monatelanger Arbeit hat Trainer Tauchert den Holsteinern eines eingetrichtert: im Strafraum sofort zu schießen. Das taten seine Schüler. Kurz anvisiert und dann abgefeuert – damit „töteten“ sie den Gegner. (Die Welt)

20.000 Zuschauer sahen den HSV am Rothenbaum untergehen. Durch Kampf zum Sieg, das musste die Parole des Tages bei dem tiefen Schneeschlamm des Bodens sein. Holstein erreichte durch restlos kameradschaftlichen Einsatz die moralische Überlegenheit. (Der Sport)

Holstein Kiel so groß wie einst. Ich weiß mich nicht zu erinnern, je eine Holstein-Elf gesehen zu haben, die eine ähnlich großartige Kondition mit auf den Platz brachte, die auf so schwer bespielbarem Boden ähnlich meisterhaft aufspielte, über die Flügel angriff und Vollstrecker hatte, die nun eben zu einer vollkommenen Mannschaft gehören. Man müsste vielleicht an jene Holstein-Mannschaft zurückdenken, die in Düsseldorf gegen Hertha BSC Berlin 1930 im Endspiel der Deutschen Meisterschaft mit zehn Spielern 4:5 verlor. (Sport Megaphon)

Hamburger jubelten den Kieler zu. Auch Tausende von Hamburgern verliehen im Chor ihrer Freude über das Spiel der Holsteiner Ausdruck mit dem Ruf „Holstein Kiel, Holstein Kiel, Holstein Kiel!“ Wenn der Rundfunksprecher hinsichtlich des Spiels der Holsteinelf von einem englischen Fußball gesprochen haben soll, dann unterstrich er damit nur, was wir bereits in der Vorschau andeuteten, dass sich die Elf der Blau-Weiß-Roten in die Reihe der deutschen Spitzenmannschaften herangearbeitet hat. (Kieler Nachrichten)

Der Sieg eine Überraschung – die Höhe eine Sensation. Der HSV braucht sich dieser Niederlage nicht zu schämen, denn er traf auf eine in prächtiger Verfassung spielende Holstein-Elf, gegen deren Kampfgeist und taktische Einstellung diesmal eben selbst für den Altmeister kein Kraut gewachsen war. Beide Mannschaften leisteten auf schneeschwerem Boden Außergewöhnliches (Volkszeitung)

Holsteins Triumph der Taktik. Nie spielte Holstein besser als an diesem 14. Dezember. Auf diesem Boden könnte kein Spiel in West- oder Süddeutschland großartiger gespielt werden. Und die Kieler Elf kann in ihrer augenblicklichen Form auch im Süden und Westen kaum übertroffen werden. Holstein hat nicht allein gekämpft, sondern hat gespielt und dabei imponiert, wie eine perfekte Fußballmannschaft. (Sport Magazin)

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