Heute vor 5 Jahren: Aufstieg in die 2. Bundesliga

Der 13. Mai 2017 ging in die Kieler Sport- und Stadtgeschichte ein. An jenem Sonnabend gelang der Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900 e.V. der Sprung in die 2. Bundesliga. Es war zugleich der Auftakt für die größte und längste Aufstiegsparty, die die nördlichste Landeshauptstadt Deutschlands je erlebt hat.

Am 13. Mai 2017 um 15:17 Uhr sollte es so weit sein. Doch bis dahin vergingen Minuten wie Stunden. Am 37. Spieltag der Drittligasaison 2016/17 führt die KSV Holstein bei der SG Sonnenhof Großaspach ab der 31. Minute mit 1:0, dank eines Treffers von Marvin Ducksch. Die drei Punkte müssen her, Verfolger Regensburg liegt auch vorn. Die rund 1.800 mitgereisten Kieler unter den 2.800 Zuschauern in der mechatronic Arena und Tausende bei Public Viewings und vor den Bildschirmen in ganz Deutschland warten auf den Abpfiff. Die KSV-Profis auf dem Rasen blicken immer wieder zu Schiedsrichter Sören Storks, der trotz Ablauf der 90 Minuten weiterspielen lässt. An der Seitenlinie steht der gesamte
Holstein-Tross. Trainer Markus Anfang hat beide Arme nach oben gestreckt, fordert das Ende. Auf der Tribüne hält es Störche-Legende Immo Stelzer schon lange nicht mehr auf der Sitzschale. Selbst die Geduld der Hauptsponsoren Dr. Hermann Langness und Gerhard Lütje sowie Aufsichtsratsboss Dr. Stefan Tholund scheint nicht länger strapazierfähig, die beiden Großhandelsunternehmer und der Rechtsanwalt tauschen sich permanent aus. In 60 Metern Entfernung klettern im Gästeblock immer mehr frenetisch singende Fans auf die Zäune: „Nie mehr, nie mehr … 3. Liga, nie mehr, nie mehr!“ Dann ist es 15:17 Uhr. Schiedsrichter Storks, dem englischen Begriff für Störche, holt tief Luft: Lang, kurz, lang. Der Abpfiff! Der Aufstieg! Holstein Kiel kehrt nach 36 Jahren in die Zweitklassigkeit zurück! In der mechatronic Arena gibt es kein Halten mehr: Platzsturm. Sektduschen, Ausnahmezustand.

„Die Stadt verdient das, die Fans verdienen das – und wir Jungs verdienen das auch. Das ist heute einfach ein geiler Tag.“

Kapitän Rafael Czichos nach dem Schlusspfiff

LEIDENSCHAFT, ENGAGEMENT UND ENERGIE

36 Jahre hatte die Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900 e.V. auf diesen Moment warten müssen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten war unglaublich viel Leidenschaft, Engagement und Energie für die Erfüllung dieses Traumes investiert worden. Dabei lief es lange Zeit nicht immer wie 09:29 Uhr erhofft. Exakt zehn Jahre zuvor mussten die Störche den Abstieg in die viertklassige Oberliga Nord verkraften. Der erstmalige Sprung in die eingleisige 3. Liga im Jahr 2009 währt bloß eine Saison. Ein erneuter Anlauf in der Regionalliga Nord dauert drei Jahre. Im Juni 2015 fehlt aufopferungsvoll kämpfenden Kielern im Relegationsspiel gegen den TSV 1860 München eine Minute zum Aufstieg, weil in der Nachspielzeit ein Pfostenabpraller einem Verteidiger des Zweitligisten vor die Füße springt und dieser zum 2:1-Sieg für die Löwen trifft. Doch zwei Jahre später nutzt die Elf von Markus Anfang am vorletzten Spieltag der Saison den ersten Matchball und macht den Aufstieg perfekt.

DIE GRÖSSTE UND LÄNGSTE AUFSTIEGSPARTY KIELS

In Großaspach suchen die Appelle des höflichen Stadionsprechers vergeblich auf Gehör. Das Spielfeld wird binnen kürzester Zeit blau-weiß-rot geflutet. Kiel liegt sich 733 Kilometer entfernt von zu Hause in den Armen und feiert eine große Party. Doch die Hauptdarsteller müssen los. Der Flieger am Stuttgarter Flughafen wartet nicht. Und auch die meisten KSV-Fans steigen nach vergeblichen Bemühungen, ihre Aufstiegshelden noch einmal feiern können, in die Autos, um ein paar Stunden später zum spontan organisierten Empfang am Holstein-Stadion dabei zu sein. Stau, Vollsperrung und Gewitter erschweren die Fahrt. Doch Blitz und Donner behindern auch den Flugverkehr. So bleibt den Holstein-Profis Zeit für weitere „Aufstiegshumbas“ beim Zwischenstopp in Frankfurt. Nach der Landung in Hamburg um 22:30 Uhr werden die Störche schon sehnsüchtig von zahlreichen Fans erwartet, als sie im Raupenjubel auf allen Vieren aus dem Ankunftsbereich des Terminals krabbeln und in den Mannschaftsbus steigen. Zeitgleich freuen sich bereits 3.000 Holstein-Fans auf dem Stadionvorplatz am Westring 501 auf ihre Aufstiegshelden. Um 23.45 Uhr hat das Warten ein Ende. Der Bus schafft es unter frenetischem Jubel gerade eben vor das »Holsteiner“ und es beginnt der erste Teil der größten und längsten Aufstiegsparty, die die Landeshauptstadt Kiel je erlebt hat.

GRATULATIONEN UND GLÜCKWÜNSCHE

So viele Gratulationen wie nach dem Aufstieg hatte die KSV Holstein in ihrer bislang 117-jährigen Geschichte noch nicht bekommen. Direkt nach Spielende in Aspach erreichten Glückwünsche des THW Kiel, VfB Lübeck, VfL Osnabrück, Eintracht Braunschweig, 1.FC Magdeburg, VFR Aalen, 1. FC Kaiserslautern, SV Sandhausen, Arminia Bielefeld, 1. FC Köln und Hamburger SV die Geschäftsstelle im Steenbeker Weg.

Über die sozialen Netzwerke sendeten Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, Ministerpräsident Torsten Albig, der designierte Ministerpräsident Daniel Günther und Innenminister Stefan Studt ihre Aufstiegsgrüße. Tennis-Queen Angelique Kerber twitterte: „Glückwunsch Holstein Kiel zum Aufstieg 2017. Freue mich mit euch.“ Ohnehin war die KSV Holstein das Thema im Internet. Auf den vereinseigenen Kanälen bei Facebook, Twitter und Instagram kommentierten über 10.000 Nutzer ihre riesige Freude über den Aufstieg. Dieser historische Tag schien keine Grenzen zu kennen.

KIEL AHOI, AUFSTIEG 2017

Die Nacht vom 13. auf den 14. Mai wird lang. Mit Schlafmangel brechen die Holstein-Profis samt Trainerstab am Sonntag zu einem dreitägigen „Kurztrainingslager“ nach Mallorca auf. Paadie, wem Paadie gebührt.

FAMOSER ENDSPURT

67 Punkte bei 59:25 Toren, der 2. Platz und damit der direkte Aufstieg in die 2. Bundesliga: Über viele Monate seit Saisonbeginn war mit diesem glorreichen Abschluss nicht zu rechnen gewesen. Nach nur vier Spieltagen wurde der nach drei Jahren Amtszeit nicht mehr unumstrittene Trainer Karsten Neitzel freigestellt. Auch sein Assistent, der langjährige Holsteiner Jan Sandmann, musste gehen. Auf das Interimsduo Ole Werner/Hannes Drews folgten Markus Anfang und „,Co“ Tom Cichon, die zuvor mit der U17 Bayer Leverkusens Deutscher B-Junioren-Meister geworden waren. Ein Schachzug von Ralf Becker, der sich schon sehr bald bezahlt machen sollte. Sukzessive vermittelten die beiden Rheinländer den Störchen ihre Spielidee. Das Spielsystem wurde von Neitzels 4-4-2 zu einem 4-1-4-1 umgestellt mit weniger Manndeckung und mehr Freiheiten für die Fußballer. Die Umstellung lief besser als erwartet. Die Leistung stimmte und auch Chancen wurden sich reichlich erspielt. Dass es in der Hinrunde noch nicht so gut lief, lag an der Effizienz – vor allem auswärts. Lediglich zwei Siege holte die Anfang-Truppe vor der Winterpause auf fremden Plätzen. Zwei Mal standen die Störche in der Hinrunde auf Platz 4, zum Jahreswechsel belegten die Störche mit ihrem neuen Trainergespann den sechsten Platz (28 Zähler).

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