Die Torhüter von Holstein Kiel – heute und damals

Das aktuelle Torwart-Trio Timon Weiner, Thomas Dähne und Ioannis Gelios (v. li.) stehen bei den Störchen für Zuverlässigkeit und Teamgeist

Befragt man einen Sportpsychologen nach den Besonderheiten des Torwartspiels, dann ergibt sich ein vielschichtiges Bild. Der Torwart muss in der Lage sein, seine Mannschaft in emotionaler und taktischer Hinsicht aktiv zu steuern und darüber hinaus auf seine Vorderleute gezielt einwirken zu können – das beinhaltet auch eine hohe verbale Präsenz und eine mitunter autoritäre Ausstrahlung. Spätestens seit den umfangreichen Regeländerungen – zum Beispiel die Rückpassregel im Jahr 1992 – erhöhten sich die Anforderungen an die Position des Torhüters noch einmal erheblich. Die Erwartungen sind heutzutage ganz andere als noch in der Vergangenheit. Um genau diesen Anforderungen gerecht zu werden, kommt vor allem auch den Torwarttrainern eine große Bedeutung zu. Die Zeiten, in denen am Ende des Trainings quasi zum Abwärmen noch einmal ein paar Bälle aufs Tor „geknallt“ wurden, muten heutzutage fast schon steinzeitlich an. Im folgenden Text schauen wir sowohl auf das aktuelle Torwarttrio Thomas Dähne, Ioannis Gelios und Timon Weiner, aber blicken später auch auf einige große Holstein-Torhüter der Vereinshistorie zurück.

Borger macht die Keeper fit

Bei Holstein Kiel kümmert sich Patrik Borger um die „Qualitätssicherung“ bei den Torhütern. Holsteins Torwarttrainer Patrik Borger kann auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückblicken. Der 43-Jährige, der sich in seiner Jugend sportliche Meriten bei Fortuna Stampe, dem TSV Kronshagen und dem Suchsdorfer SV erwarb, ehe er ab Sommer 2000 beim TSV Altenholz und dann beim VfR Neumünster in der Regionalliga noch leistungsorientierter zu arbeiten begann, kam am Ende seiner sportlichen Laufbahn beim FC St. Pauli groß raus. In der Saison 2006/07 durfte er mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga den größten Erfolg seiner aktiven Laufbahn feiern. 2010 beendete er dann am Millerntor seine Profikarriere und ließ seine aktive Zeit beim TSV Schilksee ausklingen. 2015 übernahm er den Posten des Torwarttrainers und „drillte“ Top-Leute wie Aufstiegsheld Kenneth Kronholm, den heutigen Bundesliga-Keeper Robin Zentner oder auch den designierten Zweitliga-Aufsteiger Dominik Reimann, der inzwischen in Magdeburg zwischen den Pfosten steht, auf Erfolg. Ebenso reizvoll ist für Borger die Arbeit mit dem derzeitigen Torwart-Trio der Störche.

Gute Noten & Magische Pokalmomente

„Wir haben herausragend gute Torhüter“, betont Cheftrainer Marcel Rapp immer wieder. „Es kann aber leider nur einer spielen.“ In Bezug auf die Profimannschaft betrifft das vor allem die derzeitige Nummer 1 Thomas Dähne und Pokalheld Ioannis Gelios, der durch den Sieg gegen Bayern München im Elfmeterschießen im Januar 2021 bundesweite Berühmtheit erlangte. Bei Borger und Rapp ist viel Feingefühl gefragt. Natürlich machen auch Torhüter – wie jeder andere Fußballer auch – einmal Fehler. Doch bei Holsteins Keepern überwiegen die Phasen der Konstanz und Überzeugung deutlich. Dies spiegelt sich zum Beispiel auch in der Tatsache wider, dass Thomas Dähne aktuell notenbester Spieler der Störche ist.

Der Dritte im Bunde

Aber auch der frisch gebackene Familienvater und etatmäßige U23-Torhüter Timon Weiner, der das komplette Trainingsprogramm mit den Profis absolviert, kann mit Stolz auf seine bisherigen Saison-Highlights wie zum Beispiel den 1:0-Erfolg im Regionalliga-Heimspiel im September des letzten Jahres gegen den VfB zurückblicken. Und die überragenden Leistungen der U23 in der Regionalliga-Vorrunde sind sicherlich auch ein Verdienst des 23-Jährigen, der 2018 aus der Jugend des FC Schalke 04 ins Storchennest wechselte. „Wir haben eine richtig gute Vorrunde gespielt“, freut sich Weiner, der jetzt natürlich auch in der Regionalliga-Meisterrunde gegen Oldenburg, Werder Bremen II, Atlas Delmenhorst, Hannover 96 II und Borussia Hildesheim für Furore sorgen möchte.

Der Nachwuchs drängelt

Auch wenn Dähne, Gelios und Weiner momentan das Torwart-Trio bei den Profis im Storchennest bilden, scharren talentierte junge Keeper im Nachwuchsleistungszentrum schon jetzt ungeduldig mit den Füßen. Die beiden Nachwuchskeeper Noah Oberbeck und Tevin Freudenberg haben schon zahlreiche Einheiten mit den Profis absolvieren dürfen. Die zusätzlichen Erfahrungen haben für die beiden Talente eine große Bedeutung. Denn dort erhalten die Youngster echte Berührungspunkte mit ihrem Traum vom Profifußball.

Kieler Torwart-Helden

Wenn eine Position bei den Kieler Störchen in den 122 Jahren seit der Vereinsgründung abgesehen von der Mittelstürmer-Position immer wieder absolute Ausnahmekönner hervorgebracht hat, dann mit Sicherheit der Platz zwischen den Pfosten. Dabei nehmen Meistertorwart und Holstein-Rekordnationalspieler Adsch Werner, der unglaubliche zwanzig Jahre lang die Nummer eins im Kieler Tor darstellte, sowie Dauerbrenner Henry Peper, der in 271 Punktspielen zwischen 1950 und 1962 das Störche-Tor in der erstklassigen Oberliga Nord hütete, eine Sonderstellung ein. Aber auch nicht zu vergessen ist Andreas Köpke, dessen Weltkarriere in Kiel ihren Anlauf nahm und mit dem Gewinn der Fußball-Europameisterschaft 1996 im Wembleystadion ihren Höhepunkt erlebte. Im Folgenden werden neun der ganz großen Holstein-Torhüter vorgestellt und dafür zum Teil ganz tief in der Klubhistorie gegraben.

Der Deutsche Meister

Adolf „Adsch“ Werner (geb. 19. Oktober 1886) stand schon im ersten Spiel des 1902 gegründeten FC Holstein im Tor und sollte bis 1923 die unumstrittene Nummer eins bleiben. Musste Werner im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1910 in Köln gegen den Karlsruher FV (0:1) noch verletzungsbedingt pausieren, schlug seine große Stunde zwei Jahre später an der Hamburger Hoheluft, als die Störche als erstes Team aus Norddeutschland die „Deutsche“ feiern durften. Werner hütete insgesamt 13 Mal das Tor der deutschen Nationalmannschaft, galt als bester deutscher Torhüter der Vorkriegszeit und zählt gemeinsam mit Heiner Stuhlfauth (1. FC Nürnberg), Toni Turek (Fortuna Düsseldorf) sowie Sepp Maier und Manuel Neuer (beide Bayern München) zu den großen Torhütern der deutschen Fußballgeschichte. Schornsteinfegermeister Werner blieb der KSV bis zu seinem Tod im September 1975 als wertvoller Funktionär und Ratgeber erhalten.


Der Beste

Der 1928 in Hamburg geborene Henry Peper ist ein Fußball-Denkmal und vielleicht der beste Torhüter Schleswig-Holsteins aller Zeiten. Zwölf Jahre lang war er in der erstklassigen Oberliga Nord die unumstrittene Nummer 1 und brachte es auf insgesamt über 600 Einsätze – davon 271 Punktspiele für Holstein. Dank herausragender Leistungen in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft gegen Frankfurt, Kaiserslautern und Köln gehörte Peper seit 1953 zum erweiterten Kreis der Nationalmannschaft unter Sepp Herberger. In der Saison 1959/60 beendete eine schwere Knieverletzung die glanzvolle Laufbahn des Holstein-Torhüters. Er verstarb im Juni 2006 in Kiel.


Der Kompromisslose

Von 1958 bis 1966 stand Franz Möck in insgesamt 166 Punktspielen zwischen den Pfosten der Kieler Störche und war eine der schillerndsten Figuren des Kieler Nachkriegsfußballs. Am 24. Oktober 2014 verstarb Franz-Werner Möck im Alter von 79 Jahren in Oldenburg. Der 23-jährige Möck wechselte 1958 vom FC Kilia Kiel ins Storchennest und war anfangs in der erstklassigen Oberliga Nord zweiter Mann hinter Torwart-Denkmal Henry Peper. Nach einer Verletzung von Peper avancierte Möck ein Jahr später zur Nummer 1 im Holstein-Tor. Der Meistertitel in der zweitklassigen Regionalliga Nord im Mai 1965 war der größte sportliche Erfolg für Möck. Wenige Wochen später, am 6. Juni, stand der wuchtige Torhüter dann auch am Gladbacher Bökelberg im Störche-Tor. Der Siegtreff er für die Fohlen-Elf durch Egon Milder in der 91. Spielminute beendete die Aufstiegsträume zur 1. Bundesliga. „Franz kannte weder Freund und Feind, er ging immer kompromisslos zur Sache“, erinnerte sich sein ehemaliger Mannschaftskamerad Peter Ehlers.


Der Amateurmeister

Auch wenn Jürgen Horn (geb. 4. Dezember 1940 in Kiel) der Durchbruch in der ersten Mannschaft der Störche verwehrt blieb, erlangte er durch ein einziges Spiel bei der KSV Holstein Kultstatus. Am 24. Juni 1961 feierte er im zarten Alter von nur 20 Jahren mit den Holstein Amateuren vor über 80.000 Zuschauern im Niedersachsenstadion durch einen 5:1-Erfolg gegen Siegburg 04 die Deutsche Amateurmeisterschaft. Auch wenn Horn im Anschluss noch vier Jahre lang in der erstklassigen Oberliga Nord (1961-1963) und der Regionalliga Nord (1963-1965) für Bergedorf 85 das Tor hüten durfte, der Triumph von Hannover sollte der größte Erfolg in der Fußballerkarriere des beweglichen Torhüters bleiben.


Der Treue

Klaus Hansen-Kohlmorgen (geb. 25. September 1947) war ein Mensch, bei dem sportliche Fairness, Moral und vertrauensvolles Miteinander zu den wichtigsten Werten gehörten. Von 1970 bis 1975 war „Hako“ in 103 Ligaspielen der zweitklassigen Regionalliga Nord sowie Amateuroberliga Nord die unumschränkte Nummer eins zwischen den Holstein-Pfosten. Nach seiner Karriere als Fußballer war der erfolgreiche Rechtsanwalt und Notar bis zu seinem Ableben Mitglied der Traditions-Mannschaft und stets enger Wegbegleiter der Störche. Im Jahr 1986 trug er die Verantwortung als Holstein-Vorsitzender.


Der Ruhige

Zur Saison 1973/74 wechselte Thomas Thiel aus Büdelsdorf ins Storchennest und löste die langjährige Nummer 1 Klaus Hansen-Kohlmorgen ab. Thiel war ein ruhiger Vertreter der Torhüter-Zunft, war aber in seinen fünf Jahren stets ein starker Rückhalt im Holstein-Tor. Mit Thiel im Tor erlebte die KSV die Zeit der „goldenen Generation“, in der die Störche Mitte der 1970er-Jahre, gespickt mit zahlreichen Eigengewächsen, sensationell den Sprung in die 2. Liga Nord schafften. Für Thiel war nach dem Aufstieg und insgesamt 171 Punktspielen Schluss bei Holstein.


Der Europameister

Zwar erlebte der gebürtige Kieler Andreas „Köppi“ Köpke (geb. 12. März 1962) in seiner Zeit nur 72 Punktspiele im Holstein-Tor, doch sein Ausnahmetalent rief schon schnell höherklassige Clubs auf den Plan. Im Mai 1980 feierte er beim 7:1-Sieg gegen Osnabrück sein Zweitliga-Debüt. Dennoch sollte es noch bis zum Sommer 1983 dauern, ehe Köpke den Sprung in den Profifußball wagte. Die darauffolgende Weltkarriere wurde im Juni 1996 mit dem Gewinn des Europameistertitels gekrönt. Insgesamt 17 Jahre lang war Andreas Köpke Bundes-Torwarttrainer. In dieser Funktion durfte er 2014 in Brasilien den Gewinn des Weltmeistertitels feiern.


Der polnische Dauerbrenner

Es mag überraschend klingen, aber die Tatsache, dass der Abgang von Köpke nie zum Problem wurde, lag einzig und allein an seinem Nachfolger Wlodzimierz Zemojtel. „Wlodi“ hatte in seiner polnischen Heimat mehrere Jahre für Arka Gdingen in der ersten Liga gespielt und wurde in Kiel auf Anhieb zur Nummer 1. In 149 Punktspielen stand „Wlodi“ von 1983 bis 1991 seinen Mann, genoss stets hohe Sympathiewerte und erwies sich später als Interims-, Co- und Torwarttrainer auch nach seiner aktiven Zeit als enorm wertvoll.


Der US-Boy

Der ehemalige Holstein-Schlussmann Kenneth Kronholm (geb. 14. Oktober 1985 in Fort Belvoir/USA), der von 2014 bis 2019 insgesamt 148 Pflichtspiele für die Störche absolvierte, besitzt unter den Holstein-Torhütern der letzten 25 Jahre eine Ausnahmestellung.

In der Relegation 2015 gegen 1860 München, beim Zweitliga-Aufstieg im Mai 2017 sowie der Relegation gegen den VfL Wolfsburg am Ende der Saison 2017/18 war Kronholm der große Rückhalt der KSV Holstein. Der gebürtige US-Amerikaner ließ seine Laufbahn bei Chicago Fire in der nordamerikanischen Profiliga ausklingen.


„CLUB DER HUNDERT“: HOLSTEINS TORHÜTER SEIT 1946 (PUNKTSPIELE)

271 Henry Peper (1950-1962)

171 Thomas Thiel (1973-1978)

166 Franz Möck (1958-1969)

149 Wlodzimierz Zemojtel (1983-1991)

112 Kenneth Kronholm (2014-2018)

109 Dirk Jacobsen (1991-2000)

106 Friedemann Paulick (1966-1971)

103 Klaus Hansen-Kohlmorgen (1970-1975)

100 Simon Henzler (2004-2011)

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