Nachruf: „Ghandi“ war ein Großer

Jürgen Harm im KSV-Trikot im Juli 1970

Am 21. Juli verstarb mit dem ehemaligen KSV-Kapitän Jürgen „Ghandi“ Harm einer der Großen der Holstein-Historie. Der am 16. April 1940 geborene Kieler war von 1962 bis 1972 zehn Jahre lang Stammspieler bei den Störchen und absolvierte 247 Punktspiele in der Erst- und Zweitklassigkeit für Holstein. Nur wenige Spieler schafften mehr Spiele im Trikot der KSV. Auch gehörte Harm zur großen Mannschaft, die 1965 souverän Meister der zweitklassigen Regionalliga wurde und nur haarscharf den Aufstieg in die Bundesliga verpasste.

Seinen Spitznamen „Ghandi“ erhielt Jürgen schon zu Jugendzeiten aufgrund seiner schlanken Figur, als er in Schönberg und beim SC Comet Kiel das Fußball-ABC erlernte. Nachdem ein Freund ihm von einem Wechsel zu Holstein überzeugen konnte, kickte „Ghandi“ erst einmal in der fünften (!) Amateurmannschaft. Doch das Talent des Verteidigers setzte sich durch, schon kurz darauf durfte Jürgen Harm in der höchsten deutschen Spielklasse für die Störche auflaufen – ein wahrlich kometenhafter Aufstieg. Sein Debüt gab er vor über 20.000 Zuschauern gegen den großen Hamburger SV um Charly Dörfel und Uwe Seeler. Holstein errang ein starkes 1:1-Unentschieden und Jürgen Harm feierte eine starke Premiere.

Schnell war „Ghandi“ nie, doch seine Ausdauer war legendär. Mit Kampf avancierte er zu einem der Besten im Störche-Trikot. Höhepunkt seiner Laufbahn war ohne Zweifel die Aufstiegsrunde zur neuen Bundesliga 1965. Holstein galt nach einer unglaublichen Saison mit dem Gewinn der Nordmeisterschaft als Mitfavorit in der Gruppe mit Borussia Mönchengladbach, dem SSV Reutlingen und Wormatia Worms. Abgeschottet in der Sportschule Malente bereiteten sich die Störche unter dem legendären Trainer Helmuth Johannsen auf die großen Spiele vor. Nach einem Stotterstart vor heimischer Kulisse ging es zum Schicksalsspiel der Vereinsgeschichte an den Gladbacher Bökelberg. Vor 35.000 Zuschauern bot Holstein der Fohlen-Elf um die noch blutjungen Jupp Heynckes, Günter Netzer, Bernd Rupp und Herbert Laumen Paroli. Nach einer umstrittenen Roten Karte für Holsteins Kapitän Peter Ehlers fiel der Gladbacher Siegtreffer in der Nachspielzeit – die bis dato wahrscheinlich immer noch bitterste Niederlage der Vereinsgeschichte. Und auch der 4:2-Erfolg im Rückspiel von Kiel half den Störchen nicht mehr. Gladbach stieg auf und Holstein durfte weiter nur von der Bundesliga träumen. „Wir hatten die meisten Chancen und hätten gewinnen müssen, aber so ist es, wenn man die Tore nicht macht – dann fängt man selber eins ein. Aber wir haben uns den Aufstieg selber versaubeutelt, weil wir die ganzen Heimspiele vergeigt haben“, ärgerte sich Jürgen Harm auch später stets über die vergebene Chance. Auch in der Folgezeit blieb das Tor zur Bundesliga verschlossen, dennoch spielte Harm mit seinen Störchen stets eine gute Rolle in der Regionalliga Nord. Bis 1972 war „Ghandi“ ein fester Bestandteil der Störche und prägte eine Ära mit. „Privat war Ghandi ein sehr bescheidener Mensch, mit dem man alles besprechen konnte. Auf dem Platz war er jedoch ein eisenharter Hund und konnte auch gut ausflippen. Auch wagte Ghandi als einer der wenigen Spieler, Trainern wie Helmut Ullman oder später auch Peter Ehlers zu widersprechen“, erinnert sich sein alter Weggefährte Dieter Schmiedel. Jürgen Harm hatte nie ein Geheimrezept als Fußballer und auch sein Bier und die Zigarette gehörte für ihn dazu. „Guter Schlaf ist das Wichtigste“, meinte der im Mannschaftskreis überaus beliebte Harm immer. Ein Lautsprecher war er nie.

1972 ging „Ghandi“ zurück zum SC Comet Kiel und lebte seine Fußball-Begeisterung fortan als Spieler und später als Trainer im Kieler Amateurfußball (u.a. Comet, Osdorf, Gaarden, Dänischenhagen und VfB Kiel) aus.

Der gelernte Einzelhandelskaufmann war lange Zeit Marktleiter in Projensdorf und verbrachte seine letzten 20 Berufsjahre als Amtsmeister im nordelbischen Kirchenamt in Kiel, wo er mit Frau Maryke und den Söhnen Thomas und Christian lebte. Später zog die Familie nach Rickling bei Bad Segeberg und blieb Holstein stets verbunden. Im April 2014 war er mit dabei, als nach vielen Jahren die Holstein-Traditionself neu gegründet wurde. Dort traf er auf zahlreiche Weggefährten seiner aktiven Holstein-Zeit.

Bis zuletzt verfolgte „Ghandi“ das Geschehen rund um die Störche vor dem Fernseher mit, den Weg zum Holsteinplatz fand er aus gesundheitlichen Gründen nur noch selten. Auch hatte er sich von alten Freunden aus Kieler Tagen weitestgehend zurückgezogen. Man sollte ihn gesund und munter in Erinnerung behalten, das war ihm wichtig.

Am 21. Juli verstarb Jürgen „Ghandi“ Harm nach schwerer Krankheit im Kreise der Familie. Die KSV wird seiner stets Gedenken!

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