„Eine blau-weiß-rote Truppe“

Holstein-U23-Trainer Ole Werner im Interview

Ole Werner geht mit der U23 der KSV in seine vierte Saison, seit zweieinhalb Jahren ist der Kieler Cheftrainer der zweiten Störche-Mannschaft. Der 29-Jährige spielte selbst sechs Jahre lang für die KSV, nahm anschließend in Australien eine einjährige Fußballpause, kehrte dann aber im Gespann mit Benno Szodruch als Trainer der U16 ins Storchennest zurück. Werner, der Wirtschaftswissenschaften und Deutsch auf Berufsschullehramt studiert, hat bei der KSV einen Vertrag bis 2021 unterschrieben und wird im Herbst seine A-Lizenz machen.

Worin liegt der Reiz, eine U23-Mannschaft zu trainieren?
Gerade für einen jungen Trainer ist diese Aufgabe interessant, weil hier innerhalb sehr kurzer Zeit viele unterschiedliche Spielertypen und Charaktere durchgeschleust werden. Man muss sich auf jeden Einzelnen einlassen, die Spielweise immer wieder anpassen – das ist sehr reizvoll. Der Nachteil ist natürlich der, dass es nur eine Einheit für ein Jahr ist. Wir entwickeln einzelne Spieler, aber keine Mannschaft, die über Jahre wächst.

Gegen Strand waren mit René Guder, Ilir Azemi und Joel Gerezgiher drei Spieler aus dem Kader der 1. Mannschaft dabei. Wie werden solche Entscheidungen getroffen?

In manchen Vereinen ist es üblich, dass Spieler aus dem Ligakader einfach in die U-Mannschaft abkommandiert werden. Bei uns geschieht das in enger Absprache zwischen mir, dem Ligatrainer Markus Anfang und Hannes Drews, der die U19-Bundesliga-Mannschaft trainiert. So habe ich gleich mehrere Mannschaften im Blick, was bedeutet, dass ich in meiner Funktion über den Tellerrand hinausschauen muss. Wenn einem U19-Spieler beispielsweise die nötige Körperlichkeit fehlt, kann er sie sich bei uns holen. Wenn einer aus dem Zweitliga-Kader zu uns kommt, hat er eine bestimmte Erwartungshaltung an die Professionalität des Trainings. Das ist eine Herausforderung.

Welche Auswirkungen haben Spieler aus dem Ligakader für das Mannschaftsgefüge einer U23?

Das hängt ganz davon ab, wie sie sich einbringen. Gegen Strand (2:1, d. Red.) beispielsweise haben sich die drei Spieler voll reingehängt und phasenweise den Unterschied ausgemacht. Ist das so, werden sie voll akzeptiert. Klar ist aber auch, dass sich der eine oder andere aus meiner Mannschaft schon darüber ärgert, wenn ein Ligaspieler den Vorzug erhält. Aber das ist eine völlig normale Reaktion. Mir persönlich hat sehr gut gefallen, wie Timo Barendt gegen Strand Ilir Azemi angefeuert hat, obwohl er wegen dessen Nominierung zuschauen musste. Er hat gemerkt, dass er sich von ihm viel abschauen kann. Das bringt auch sein Spiel weiter. Und: Wo können 19- oder 20-Jährige in einer ersten Mannschaft mittrainieren, die in der 2. Liga spielt? Davon profitiert unser Nachwuchs immens.

Wie beliebt ist denn eine 2. Mannschaft in der 5. Liga?
In der Vergangenheit fiel es den Spielern tatsächlich schwer, sich für die 5. Liga zu entscheiden. Aber das ändert sich. In dieser Altersklasse ist Spielpraxis extrem wichtig, für die körperliche Entwicklung, aber auch, um abgebrühter, cleverer zu werden. Es ist auf jeden Fall besser, in einer Oberliga-Mannschaft regelmäßig zum Einsatz zu kommen, als in der Regionalliga nur sporadisch. Die Beispiele zeigen, dass es nur außergewöhnliche Talente schaffen, sich sofort auf Regionalliga- oder einem noch höheren Niveau zu etablieren. Wer es dort nicht
auf Anhieb schafft, wird leider schnell abgestempelt. Als einer, der den Durchbruch nicht geschafft hat. Was natürlich Unsinn ist! Das Gros braucht Zeit, unser Mix aus Spielpraxis in der Oberliga und Trainingseinheiten im Zweitliga-Kader ist meiner Meinung nach perfekt. Den jungen Spielern fehlt, auch durch das oft sehr ungeduldige Umfeld, die Zeit. Sie verstehen nicht, dass es normal ist, in der U19-Bundesliga gegen Bremen und Leipzig gespielt zu haben, dann aber am 1. Spieltag in der U23 gegen Frisia-Lindholm (1:2, d. Red.) chancenlos zu sein. Ich kann immer nur raten, den ersten vor dem übernächsten Schritt zu machen. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein A-Jugendlicher, der zuvor Bundesliga gespielt hat, bei uns unterfordert gewesen ist. Es konnte bislang noch jeder etwas Neues lernen.

Welche Vorgabe gibt es für die U23 von der sportlichen Leitung des Vereins?

Wir sind eine reine Entwicklungsmannschaft, eine tabellarische Vorgabe gibt es nicht. In der vergangenen Saison sind wir mit einer Mannschaft, die im Schnitt knapp 22 Jahre alt gewesen ist, Zweiter geworden. Jetzt ist der Kader noch einmal um 1,5 Jahre jünger, aus der A-Jugend sind gleich neun Spieler zu uns gekommen. Das ist eine Wundertüte. Die Frage wird sein, wie konstant wir mit dieser jungen Truppe durch die Saison kommen. Ich finde die Richtung, die wir einschlagen, aber gut. Wir haben nur zwei Spieler im Kader, die nicht in unserem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet worden sind. Wir sind also ein blau-weiß-rotes Team durch und durch. Für unsere Talente ist das Signal des Vereins, dass die Ausbildung für sie nicht nach der U19 beendet ist. Sie können hier auch im Herrenbereich unter professionellen Bedingungen, in einem bekannten Umfeld, die nächsten Schritte machen. Das ist ein klares Plus für die KSV Holstein.

Aber brauchen junge Spieler nicht auch auf dem Feld die Hilfe routinierter Kollegen?

Es ist schon sinnvoll, ein, zwei ältere Hasen dabei zu haben, die ihre Erfahrung weitergeben. Auf und dem
Feld. Das ist als Orientierung sehr wichtig. Bei uns ist Tim Gürntke ein solcher Typ. Aber grundsätzlich ist die Idee einer U23 natürlich die, dass die Spieler nach ein, zwei Jahren diese Mannschaft wieder verlassen sollen, um den Konkurrenzkampf auf einem höheren Level zu führen. Wem das nicht auf Anhieb gelingt, sollte trotzdem nicht aufgeben, sich stattdessen mit Geduld und Fleiß durch die Ligen fressen. Auch so werden aus Talenten einmal Profis.

Wie schätzt Du die neue Flens-Oberliga ein, die um zwei Mannschaften verkleinert worden ist?

Die Leistungsdichte in dieser Liga ist in den vergangenen Jahren immer weitergewachsen, die Mannschaften haben inzwischen größtenteils eine klare Spielidee. Durch die Reduzierung verlieren wir vier Pflichtspiele, aber in den
30 Spielen, die wir noch haben, ist die Intensität immer hoch, leichte Gegner gibt es keine mehr. Die Reduzierung hat also Vor- und Nachteile, eine eindeutige Meinung dazu habe ich nicht.

Worüber würdest Du Dich am Saisonende freuen?
Darüber, dass wir als Gruppe geschlossen aufgetreten sind und Fußball präsentiert haben, der für den Verein steht. Darüber, dass einige Spieler den Sprung auf das nächste Level schaffen, was für mich auch sein kann, dass aus einem durchschnittlichen Oberliga-Spieler ein überdurchschnittlicher geworden ist. Und darüber, dass wir uns auf unserer Abschlussfeier an einige geile Momente erinnern können.

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