Ex-Kapitän Kazior: „Ich tippe auf Holstein!“

Talk mit Ex-Holstein-Kapitän Rafael Kazior vor dem Pokalspiel gegen Augsburg (Mi. 18.30 Uhr)

Die Fußball-Stiefel hat er im Sommer 2018 an den Nagel gehängt – und ist im Zuge dessen gleich mal zwei Klassen aufgestiegen: Rafael Kazior, zuletzt Leitwolf in der 3. Liga bei Werder Bremen II, hat nach seinem Karriereende einen interessanten Job übernommen. Der inzwischen 35-Jährige, hierzulande insbesondere aus seinen insgesamt fünf Jahren bei Holstein Kiel noch bestens bekannt und beliebt, ist inzwischen Teil des Spielanalyse-Teams rund um die Bremer Bundesliga-Mannschaft. Wir sprachen vor dem DFB-Pokalspiel der KSV gegen den Erstligisten FC Augsburg (Mittwoch, 18.30 Uhr im Holstein-Stadion) mitunserem ehemaligen Kapitän, der auf dem Feld ein Allrounder war, über seine neue Aufgabe, seine Zukunftspläne und ein bisschen über seine Vergangenheit als Spieler der KSV Holstein.

Rafael, wenn man auf den einschlägigen Webseiten Dein Profil aufruft, bekommt man zu lesen, dass Du Videoanalyst beim SV Werderbist. Was muss man sich darunter vorstellen?

Rafael: Videoanalyst ist eigentlich nur ein Teil meines Jobs, richtiger wäre die Bezeichnung Gegneranalyst. Wir sind insgesamt drei Analysten im Team, und ich bin für die Gegnervorbereitung zuständig. Ich sehe an jedem Wochenende ein oder zwei Spiele, meist den nächsten oder den übernächsten Gegner der Bundesliga-Mannschaft.

Und wie läuft Deine Arbeit danngenau ab?

Rafael: Es ist eine Mischung aus den Eindrücken im Stadion und aus dem Video. Es gibt für die Vereine eine Plattform, wo man sich die Spiele als Video herunterladen kann. Das sind nicht die Bilder aus dem Fernsehen, sondern Perspektiven aus der Totalen oder Halbtotalen, sodass man Bewegungen auf dem Spielfeld genau erkennen kann. Daraus schneide ich dann einige Tage vor unserem Spiel die wichtigsten Sequenzen des Gegners für eine Präsentation zusammen. Und daraus wiederum erstellt unser Chefanalyst dann das Video, das auch die Spieler in der Spielvorbereitung zu sehen bekommen.

Auf welche Aspekte legst Du da besonderen Wert?

Rafael: Es geht um alles, was für unseren Trainer Florian Kohfeldt irgendwie relevant sein könnte. Welche Varianten gibt es bei Standardsituationen? Wie verhält sich das Team im Spielaufbau? Welche Auffälligkeiten gibt es bei Ballverlusten? Das sind viele Bereiche, die wir dabei im Blick haben müssen. Am Ende geht es auch nicht nur um das Spiel, sondern auch darum, sich in allen Bereichen mit dem Gegner zu befassen und beispielsweise zu verfolgen, wer möglicherweise verletzt ist oder was aus der Berichterstattung in den Medien zu entnehmen sein kann.

Du bist Teil des Trainerteams oder der Scoutingabteilung zugeordnet?

Rafael: Zugeordnet bin ich der Scouting-Abteilung, in dieauch der Bereich der Videoanalyse fällt. Aber ich bin auch gleichzeitig im weiteren Sinne Teil des Trainerteams, auch wenn ich nicht jeden Tag in der Kabine bin.

Der Übergang vom aktiven Spieler in eine andere Rolle ging sehr zügig…

Rafael: Es ging in der Tat schnell. Ich hatte nach dem Ende der letzten Saison nicht einmal einen Monat Zeit. Dann haben wir schon angefangen, Spiele der WM zu analysieren und Trends zu erkennen. Das war für mich auch eine Art Einarbeitung in den neuen Job. Anschließend war ich mit der Mannschaft im Trainingslager, und dann ging es auch schon richtig los.

Hast Du denn mit der aktiven Karriere schon abgeschlossen?

Rafael: Ich habe mich im letzten Jahr schon innerlich darauf vorbereitet, dass im Sommer Schluss sein könnte. Ich hatte immer wieder Probleme mit dem Sprunggelenk, die Tage nach dem Spiel waren immer eine Qual. Und auch gespielt habe ich teilweise schon mit Schmerzmitteln. Da war für mich bei dem Jobangebot schnell klar, dass ich jetzt aufhöre. Ich bin immerhin schon 35, und es hat ja kaum jemand das Glück, noch mit 40 spielen zu können wie jetzt Claudio Pizarro. Bei Spielen wie freitags unter Flutlicht denke ich schon noch manchmal: Da wäre es schön, jetzt dabei zu sein. Aber ich habe seit dem Sommer nur noch bei unseren hausinternen Spielchen ein wenig gekickt.

Ist dieser Job denn jetzt der, den Du auch in Zukunft ausüben willst? Oder strebst Du eine Karriere als Trainer oder Manager an?

Rafael: Für den Moment bin ich mit meiner Tätigkeit total zufrieden. Die Aufgabe ist megaspannend und total interessant, ich habe hier ein cooles Arbeitsumfeld. Viel weiter in die Zukunft denke ich derzeit nicht. Allerdings mache ich parallel meine Trainerscheine. Gerade habe ich die Prüfung für die DFB-Elite-Jugend-Lizenz gemacht, im nächsten Jahr soll dann die A-Lizenz folgen.

Mit dem Fußball-Lehrer-Schein als Ziel?

Rafael: Das muss man abwarten. Aktuell plane ich das noch nicht. Und die Ausbildung wäre dann ja auch so intensiv, dass man das kaum mit einem anderen Job wie meinem derzeitigen vereinbaren könnte.

Wie sind denn aktuell noch Deine Kontakte nach Kiel? Immerhin hast Du hier die längste Zeit Deiner 17 Jahre als Profi verbracht.

Rafael: In letzter Zeit gab es weniger Kontakt nach Kiel. Inzwischen sind ja auch nicht mehr so viele da, mit denen ich noch zusammen gearbeitet habe. Mit Siedo habe ich hier und da noch Kontakt, ansonsten eher zum Funktionsteam wie Sebastian Süß, Tim Petersen oder Timm Sörensen. Aber mit Kenny, Herrmi und Hauke Wahl natürlich auch. Auch zu Ralf Becker und Carsten Wehlmann, die ja seit kurzer Zeit nicht mehr da sind, habe ich noch einen Draht. Allgemein kann man sagen, dass es eher die Menschen sind, die ich auf meinen Stationen kennen gelernt habe, zu denen die Verbindung bestehen bleibt. Dazu gehören aus Kieler Zeiten auch Andreas Bornemann in Nürnberg und Karsten Neitzel in Essen oder beispielsweise Rouven Schröder, mit dem ich in Duisburg zusammen gespielt habe, der jetzt in Mainz tätig ist.

War die Zeit in Kiel rückblickend auch Deine schönste als Profi?

Rafael: Ich habe eigentlich überall das Glück gehabt, dass ich nicht im Ärger gegangen bin. Auch wenn es nicht überall gut gelaufen ist. Ich kann sagen, dass ich überall mit Herzblut gespielt habe und noch heute beispielsweise im Westen als erstes schaue, wie Essen gespielt hat. Aber in Kiel war es schon etwas Besonderes und insofern vielleicht die schönste Station. An den Aufstieg in die 3. Liga oder mein letztes Jahr, als wir die Relegation erreicht haben, denkt man gerne zurück. Ich habe das Gefühl, dass in den Jahren damals eine Entwicklung in Gang gesetzt wurde und wir waren ein Teil davon. Wenn man sieht, wie der Verein in dieser Zeit gewachsen ist.

Wer hat daran Deiner Meinung nach besonderen Anteil?

Rafael: Andreas Bornemann hat schon sehr nachhaltig gearbeitet, Wolfgang Schwenke hat die Kohle zusammen gehalten und ist für den Verein wichtig. Ein Fabian Müller ist schon seit Jahren für den Nachwuchs verantwortlich. Diese Kontinuität ist wichtig. Aber ganz besonders wichtig sind natürlich Dr. Hermann Langness und Gerhard Lütje. Ich bin wirklich froh, dass ich die beiden kennen lernen durfte, die trotz ihres beruflichen Erfolgs so geerdet und demütig geblieben sind und den Verein immer unterstützt haben. Ich denke gerne an die Zeit in Kiel zurück und hoffe auch, bald mal wieder oben zu sein. Dass ich das letzte Mal im Stadion war, ist inzwischen schon sehr lange her.

Das hat auch mit Deiner privaten Situation als junger Vater zu tun, oder?

Rafael: Ja, das stimmt. Unsere kleine Tochter Emilia hält uns schon ordentlich auf Trab. Auch da kommt mir übrigens mein jetziger Job entgegen, denn die Arbeitszeiten sind fließend. Das lässt sich gut mit der Familie verbinden.

Wie sind heute Deine Erinnerungen an die DFB-Pokal-Saison 2011/12, immerhin gehörtest Du damals beim Kieler Wintermärchen zu den Hauptdarstellern?

Rafael: Das war für uns als Regionalligist natürlich eine sehr schöne Sache, denn wir waren ein sehr eingeschworener Haufen, da hat alles gepasst. Zwischen Fans und Mannschaft gab es ein echtes Wir-Gefühl. Und unser Kampf gegen Mainz oder auch Cottbus und Duisburg war überragend. Als Viertligist ohne einen Gegentreffer ins Viertelfinale einzuziehen war natürlich grandios. Und dann das große Erlebnis gegen Borussia Dortmund…

Nun wartet der FC Augsburg auf die Störche. Wie siehst Du als Spielanalyst den Gegner der KSV?

Rafael: Auf jeden Fall ist das ein sehr unangenehmer Gegner mit viel Erfahrung, hoher individueller Klasse und Kampfgeist. Der FC spielt wirklich einen aggressiven Fußball. Chancenlos ist Holstein deswegen aber nicht, das hat man ja auch gegen den SC Freiburg gesehen. Ich glaube im Pokal ist alles möglich, vor allem in Kiel mit dem erfahrenen Trainer Tim Walter, dem tollen Umfeld und den begeisterungsfähigen Fans. Ich tippe auf Holstein, auch wenn es sehr schwer wird. Die Daumen sind gedrückt.

Vielen Dank für das Gespräch, Rafa. Auf bald mal wieder im Holstein-Stadion!

Das Interview führten Christian Jessen und Patrick Nawe

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