Kapitän und absoluter Leistungsträger

Rafael Czichos im Porträt

Rafael Czichos kam im Sommer 2015 vom FC RW Erfurt zu den Kieler Störchen und wurde im Trainingslager in Side (Türkei) zu Jahresbeginn von den neuen Kollegen zum Nachfolger von Kapitän Rafael Kazior (wechselte zu Werder Bremen) gewählt. Eine Wahl, die das Team in der Vorbereitung auf die laufende Saison noch einmal durchführte – wieder gewann der 26-jährige Innenverteidiger. Nicht nur für Sportchef Ralf Becker ist Rafael Czichos „eine Führungsfigur und ein absoluter Leistungsträger“ im Kader des Drittligisten. Der in Saudi-Arabien geborene und in der Nähe von Bremen beheimatete Czichos verlängerte unlängst seinen im Juni 2017 auslaufenden Vertrag bei den Störchen um zwei Jahre. Warum? „Der Verein und ich haben die gleichen Ziele – wir wollen in die 2. Liga“, sagt Rafael Czichos. Ein Porträt des Kapitäns:

Reichtum: Grundsätzlich wird dieser Begriff immer mit Geld in Verbindung gebracht. Wer reich ist, der hat viel davon. Früher habe ich auch so gedacht und gehofft, eines Tages möglichst viel Geld zu verdienen. Aber dieses Gefühl hat sich geändert. Wenn ich das Wort „Reichtum“ lese, dann beschreibt das für mich ein allgemeines Lebensgefühl. Ich bin reich, weil es meiner Familie gut geht, weil ich mich in meiner Haut wohl fühle, weil ich da, wo ich gerade bin, auch gerne bin. Ein Höchstmaß an Zufriedenheit – das ist für mich Reichtum.

Ausland: Ich reise gerne und bin selten zweimal am gleichen Ort. Ich möchte gerne einmal im Ausland spielen oder nach dem Ende meiner Karriere dort arbeiten, um neue Erfahrungen zu sammeln. Wo? Wirklich wichtig ist nur, dass es dort schön warm ist!

Familie: Meine Eltern und mein Bruder haben mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Sie haben mich immer unterstützt, in allen Lebenslagen. Meine Familie lebt noch in Ottersberg (Niedersachen, 12.000 Einwohner, d. Red.), dort bin ich auch aufgewachsen. Mein Bruder ist zehn Jahre älter als ich und hat mich schon in frühester Kindheit mit auf den Bolzplatz geschleppt. Ohne ihn wäre ich kein Profi geworden. Er hat immer gesagt, dass ich mich erst als Fußballer bezeichnen darf, wenn ich damit mehr Geld verdiene als er. Das habe ich als 20-Jähriger schon geschafft, was allerdings auch keine große Kunst gewesen ist. Er hat zwar selbst auf einem ordentlichen Niveau gespielt, damit aber nur ein Taschengeld verdient. Meine Eltern haben mit Sport gar nichts am Hut, aber spielen wir an einem Ort, der von Ottersberg nicht weiter als drei Autostunden entfernt ist, sind sie immer im Stadion live dabei, um mich spielen zu sehen.

Amerika: Ich habe ja gesagt, dass ich ein Land selten zweimal besuche, Amerika ist dabei die große Ausnahme. Hier bin ich regelmäßig und weiß, dass ich einen Abschnitt meines Lebens dort verbringen möchte. Warum? Der Spruch, dass Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist, klingt zwar abgedroschen. Aber ich finde, dass er stimmt. Dort kann wirklich jeder alles machen. Und die Menschen in Amerika habe ich immer als sehr aufgeschlossen erlebt. Klar habe ich auch die Wahlen intensiv verfolgt, dazu mehr unter dem Punkt „C“.

Erfurt: Bei Rot-Weiß Erfurt habe ich mit die längste Zeit meiner bisherigen Karriere verbracht. Eine besondere Station für mich, weil ich dort als Linksverteidiger unter anderem zu einem Stammspieler in der Dritten Liga geworden bin. Erfurt ist eine schöne Stadt, in der ich viele Momente erlebt habe, die ich in guter Erinnerung behalten werde.

Lieblingsspeise: Da muss ich nicht lange überlegen: Spaghetti Bolognese! Ich lebe ja mit „Schippi“ (Mannschaftskollege Bernd Schipmann, d. Red.) in einer Wohngemeinschaft. Und wenn wir über Essen nachdenken, schlage ich immer dieses Gericht vor. Allerdings schmeckt es mir nur, wenn meine Mutter oder ich es zubereiten. Im Restaurant bestelle ich es deshalb nie. Wie mein Geheimrezept aussieht? Ganz einfach – die Rezeptmischung aus der Maggitüte.

Couch: Der Ort, an dem ich in unserer Wohnung am häufigsten bin. Sie gehört „Schippi“, aber für uns beide ist sie locker groß genug. Wahrscheinlich könnten dort auch zehn Menschen gleichzeitig Platz finden. Bernd und ich streiten uns eigentlich nie, nur auf der Couch passiert es gelegentlich, weil wir dort immer gegeneinander FIFA an der Playstation spielen (Zwinkersmilie).

Ziele: Anfangs war mein wichtigstes Ziel, einmal in der 2. Bundesliga Fußball zu spielen. Das ist für mich noch immer wichtig. Auch deshalb habe ich meinen Vertrag bei Holstein Kiel gerade um zwei Jahre verlängert, weil ich mit diesem Verein, der aufgrund seiner professionellen Strukturen einfach in die 2. Liga gehört, das Bestmögliche erreichen will – den Aufstieg. Inzwischen sind mir daneben aber auch noch andere Dinge wichtig geworden. Dinge wie Zufriedenheit, glücklich sein.

Ikea: Beim Buchstaben „I“ fällt mir sofort Ikea ein. Wie die meisten Fußballer bin auch ich schon sehr oft umgezogen und dabei hat dieses Möbelhaus immer eine entscheidende Rolle gespielt. Sorry Ikea, aber inzwischen ist dieser Laden für mich ein Ort des Grauens geworden. Entweder findest Du dort nichts, oder viel zu viele schicke Sachen, die dann auch entsprechend viel Geld kosten. Und einmal gekauft, müssen die Möbel ja auch noch aufgebaut werden – Grauen, zweiter Teil.

Clinton: Die Wahl in Amerika habe ich sehr intensiv verfolgt, auch unterschiedlichste Quellen im Internet angezapft und mir viele Meinungen eingeholt. Bei dieser Wahl war leider von Anfang an klar, dass bei diesen beiden Kandidaten, Hillary Clinton und Donald Trump, ein guter Präsident für das Land von vornherein ausgeschlossen gewesen ist.

Heimat: Das ist für mich Ottersberg in der Nähe von Bremen. Diesen Ort besuche ich so oft wie möglich. Neben meiner Familie leben dort auch viele Freunde, beim TSV hat meine Karriere begonnen. Allerdings hat der Verein sich in den vergangenen Jahren sehr zu seinem Nachteil entwickelt. Ich habe mir gerade erst ein Heimspiel angesehen, das war leider schon etwas erschreckend für mich. Damals haben wir zwar auch nur in der fünften Liga gespielt, aber der Verein hatte Ambitionen und sogar Brasilianer verpflichtet, um mit ihnen aufzusteigen. Hätte der Verein seinerzeit nicht solche Ziele verfolgt, wäre gar nicht aufgefallen, dass ich auch ganz solide kicken kann. Freunde und die Familie sind im Leben eines Fußballers oft die einzigen Konstanten. Ich habe in meiner Karriere viele Kollegen erlebt, deren Eltern sich getrennt hatten, die wenig Kontakt zu ihren Freunden hatten. So möchte ich nicht leben.

Ordnung: Im Haushalt lege ich großen Wert auf Ordnung, ich kann es überhaupt nicht haben, wenn überall Klamotten rumliegen. Ich muss zwar auch beim Aufräumen meinen Schweinehund überwinden, aber so groß, dass ich lieber in Unordnung lebe, kann der gar nicht sein. Ich bin froh, dass ich mit „Schippi“ einen jüngeren Mitbewohner habe, den ich an der Playstation oft besiege. Wer verliert, muss das Geschirr abwaschen! Für eine Männer-WG geht es bei uns sehr ordentlich zu.

Strand: Der Ort, mit dem ich das Wort „Urlaub“ verbinde. Gerade bei diesem aktuellen November-Wetter. Klar, Kultur darf im Urlaub auch nicht fehlen, aber am besten erhole ich mich, wenn ich am Strand liege. Auch an Kiel liebe ich die Strände, gerade in diesem Sommer habe ich in Heidkate einen neuen für mich entdeckt. Dort kann ich, gerne auch auf einem Volleyball-Feld, wunderbar den ganzen Tag verbringen. Ich glaube, dass keine anderen Fußballer in Deutschland ein solches Stranderlebnis vor der eigenen Haustür haben wie wir hier bei Holstein Kiel. S – das könnte für mich auch die SG Sonnenhof Großaspach sein. In der vergangenen Saison schoss ich beim 3:1-Heimsieg gegen diesen Verein alle vier Tore, drei für uns, eins für den Gegner. Das hatte es im deutschen Profifußball bis dahin noch nicht gegeben. S – da denke ich aber auch an Saudi-Arabien. Hier bin ich geboren und habe meine ersten drei Lebensjahre verbracht, weil mein Vater dort berufstätig war. Leider habe ich keine wirklichen Erinnerungen mehr an mein Leben in Saudi-Arabien, aber mein Bruder schwärmt immer davon, dass es eine sehr, sehr schöne Zeit gewesen ist.

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