KSV setzt auf Markus Anfang

Aus Leverkusen an die Kieler Förde

Markus Anfang spielte als Profi unter anderem für Schalke 04, Fortuna Düsseldorf und den FC Tirol Innsbruck. In der vergangenen Saison führte er mit seinem heutigen Co-Trainer Tom Cichon als Gespann die U17 des Bundesligisten Bayer Leverkusen erstmals nach 1992 wieder zu einer deutschen Meisterschaft. Als die KSV Holstein ihn als Nachfolger von Karsten Neitzel auswählte, überlegte der 42-jährige Kölner nicht lange und wagte den Sprung in die Dritte Liga. Markus Anfang – ein Porträt.

Mittelfeld: In meiner frühesten Jugend habe ich auf dem Flügel gespielt, doch schon bald bin ich dort gelandet, wo ich am liebsten gespielt habe – im Mittelfeld. Zu klein für vorne, zu klein für hinten, da bleibt nur die Mitte (Markus Anfang ist 1,71 Meter groß, d. Red.). Begonnen habe ich dort auf der „10“, mit zunehmender Alter, nachlassendem Tempo und Beweglichkeit bin ich von der „8“ auf die „6“ immer weiter nach hinten gewandert. Das Mittelfeld ist das Herzstück der Mannschaft, hier werden die Entscheidungen getroffen. Wer hier spielt, hat viel Verantwortung – ich habe diese Rolle geliebt.

Anfang: Mit meinem Namen wird in den Medien viel gespielt, läuft es gut, sind die Wortspiele positiv, läuft es weniger gut, wird dem Wort „Anfang“ auch immer in irgendeiner Form das „Ende“ beigefügt. Ich habe zu viele Schlagzeilen gelesen, um noch wirklich genervt zu sein. Aber was ich schade finde ist, dass mein Name immer wieder in den Schlagzeilen über Texten auftaucht, in denen es gar nicht in erster Linie um mich geht und damit automatisch polarisiert. Ich will aber überhaupt nicht im Mittelpunkt stehen, und um mich geht es auch gar nicht in erster Linie – Fußball ist eine Mannschaftssportart.

Rasenmähen: Mein Papa hat immer sehr viel Wert auf einen gepflegten Rasen gelegt, diese Leidenschaft habe ich von ihm übernommen. Bei Bayer Leverkusen habe ich mich immer vom Greenkeeper des Vereins mit Tipps und Dünger versorgen lassen, auch der Rasen vor unserem Haus ist mir heilig. Ich wollte immer einen solchen Teppich wie im Stadion haben. Gut, dass ich ihn jetzt, wo ich in Kiel arbeite, bei meinem Papa in guten Händen weiß.

Konkurs: Mein letztes Jahr beim FC Tirol Innsbruck war das einschneidendste Erlebnis meiner aktiven Karriere. Der Verein war vom Konkurs bedroht, wir haben die letzten sechs Monate der Saison 2001/2002 alle kein Gehalt mehr bekommen. Wir Spieler hatten zwar noch Ersparnisse, aber viele andere, wie die Physios oder der Zeugwart, nicht. Für sie haben wir alle Geld auf den Tisch gelegt, damit sie in dieser Zeit zumindest ihre Familien ernähren konnten. Der Zusammenhalt war unglaublich, wir alle hatten das Ziel, den Verein mit einer Qualifikation für die Champions League vor dem Konkurs zu bewahren. Tatsächlich sind wir damals unter Trainer Jogi Löw sogar zum dritten Mal in Folge Meister geworden und haben uns sportlich für die Qualifikationsrunde zur Champions League qualifiziert, doch den Verein konnten wir trotzdem nicht retten. Es war ein Schlag ins Gesicht, als ich im Urlaub davon erfuhr, dass der FC Tirol keine Lizenz für die kommende Saison erhalten und letztlich doch Konkurs angemeldet hatte.

Ungerechtigkeit: Das ist für mich ein sehr wichtiges Thema. Jeder, und das ist mir ein großes Anliegen, sollte eine faire Chance erhalten. Wer hilfsbedürftig ist, muss von denen, die Hilfe leisten können, unterstützt werden. Mir ist es aber auch wichtig, dass dabei das richtige Maß an den Tag gelegt wird. Wir dürfen beispielsweise in der Flüchtlingspolitik nicht die hilfsbedürftigen Deutschen vergessen. Und ungerecht ist es beispielsweise auch, wenn von Menschen, denen wir helfen wollen, Nischen ausgenutzt werden.

Staff: Für mich ist es ganz wichtig, dass wir, die wir um die Mannschaft herum sind, uns als Team verstehen. Da muss jeder den Raum bekommen, um frei atmen zu können. Nur so kann er seine Qualitäten abrufen und sich voll darin einbringen, der Mannschaft zu helfen. Wir haben alle unterschiedliche Aufgaben, ziehen aber für das Ganze am gleichen Strang. Von dem Team, das uns hier empfangen hat, kann ich nur positive Dinge sagen. Und auch von Ole (Werner, d. Red.) und Hannes (Drews), die zuvor das Training geleitet haben, sind wir mit offenen Armen empfangen worden. Mit ihnen, und den anderen Trainern im Nachwuchsleistungszentrum, stehen wir seit dem ersten Tag in einem regen Austausch.

Ausland: Für mich war es eine wichtige Erfahrung, in Österreich Fußball zu spielen. Die Deutschen werden dort grundsätzlich eher kritisch beäugt und es stimmt auch nicht, dass wir trotz der unmittelbaren Nachbarschaft die gleiche Sprache sprechen. Ich kann mich noch gut an meine ersten Behandlungen auf der Massagebank erinnern, da habe ich nicht ein einziges Wort verstanden, wenn der Physiotherapeut mit mir gesprochen hat. Im Ausland zu arbeiten bedeutet, sich zu integrieren. Das lehrt Demut. Sportlich war mein Wechsel zum FC Tirol Innsbruck (Anfang spielte von 1998 bis 2002 für den FC, d. Red.) eine sehr gute Entscheidung. Die Mannschaft hatte die Vorrunde als Neunter der insgesamt zehn Erstligisten abgeschnitten. Im Winter kam dann mit Kurt Jara ein neuer Trainer, und mit ihm haben wir in der Rückrunde richtig aufgedreht. Der FC Tirol Innsbruck, 1993 als Nachfolger von Wacker Innsbruck gegründet, wurde zum ersten Mal nach zehn Jahren Meister.

Niederlage: Zum Glück kann ich Sport und Privatleben gut trennen, das ist eine wichtige Voraussetzung, um im Fußball arbeiten zu können. Verliere ich als Trainer, habe ich nicht das Gefühl, auch als Mensch verloren zu haben, das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Eine Niederlage hängt für mich auch nicht zwangsläufig mit dem Ergebnis zusammen. Hat die Mannschaft unsere Vorgaben trotz einer Niederlage gut umgesetzt, fühlt es sich für mich nicht wie eine an. Andererseits ist es so, dass auch ein gutes Resultat eine gefühlte Niederlage sein kann, weil das Ergebnis letztlich unverdient gewesen ist.

Familie: Die ist für mich extrem wichtig. Hier fühle ich mich wohl, geborgen und kann richtig abschalten. Meine Frau Manuela und unsere Töchter Marie (15) und Louisa (13) tragen meine Entscheidung, nach Kiel zu gehen, voll mit. Sie kennen unser Familienleben nicht anders, mein Leben als Spieler und Trainer bringt solche Situationen mit sich, und damit gehen alle offen um. Zu meiner Familie zählen noch meine Eltern und meine Schwester, zu allen habe ich ein sehr gutes, inniges Verhältnis. Ja, ich kann sagen, dass ich ein Familienmensch aus Überzeugung bin.

Arbeit: Ich empfinde es nicht so, dass mein Job als Trainer Arbeit ist. Es ist ein Privileg, einen Beruf ausüben zu dürfen, der mir einen solchen Spaß macht. Fußball ist meine große Leidenschaft – und die kann ich nun auch noch als Trainer ausleben!

Naschen: Wer nicht süß ist, der isst süß – dieser Spruch passt ganz gut zu mir. Ich nasche für mein Leben gerne, behaupte aber von mir, dass ich diese Versuchung ganz gut im Griff habe.

Geboren: Ich bin ein waschechter Kölner Jung, der Kölsch isst, trinkt und lebt. Wenn der Terminplan es zulässt, bin ich mit natürlich auch beim Karneval dabei. Meine Frau, die wie meine Töchter im Karnevalsverein aktiv ist, näht mir dann immer die tollsten Kostüme.

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