Provinz oder schlafender Riese?

Fußballwelten:

Spanischer Südosten auf dem Sprung

Mit dem Namen Alicante verbinden noch heute viele Fußballfreunde Erinnerungen an die aus deutscher Sicht wenig glorreich verlaufene Weltmeisterschaft 1982. Gelangte die spanische Mittelmeerstadt als Austragungsort zu höheren Ehren, so ist es die römische Vergangenheit der rund 100 km südlich gelegenen Stadt Cartagena, die für einen Wiedererkennungseffekt sorgt. 800 km weiter wirbelte Mitte der 90er Jahre der FC Extremadura die Welt der Fußball-Experten durcheinander, zog die spanische Provinzstadt doch sensationell in die erste Liga ein und schaffte dort – fast schon unglaublich – den Klassenerhalt. Aber für lang anhaltenden Fußball-Ruhm reichte es auch in dem 20.000 Einwohner Örtchen nicht. Die Region Andalusien/Extremadura/Murcia bildet im wesentlichen das Einzugsgebiet der Secunda B, eine der vier dritten Ligen Spaniens. Nur Murcia hält sich mehr schlecht als recht in der zweiten Liga. Geht es nach Paco Gomez, dann soll der FC Cartagena – am Donnerstag Gegner und verdienter Verlierer des Testspiels gegen die KSV Holstein – so schnell wie möglich das neue sportliche Aushängeschild werden. Gomez, steinreicher einheimischer Bauunternehmer, will mit aller Macht in die 2 Liga, schielt aber liebend gern auch noch eine Klasse höher. Den kühnen Träumen steht bislang allerdings noch die sportliche Entwicklung im Weg. In der letzten Saison mit 15 Punkten Abstand souveräner Meister der Secunda B, scheiterte der FC Cartagena in den Play-Off-Spielen gegen den West-Meister der Kanarischen Inseln sensationell. Auswärts gelang zwar ein durchaus zufrieden stellendes 2:2, doch im Rückspiel erlebte der bis dahin in der gesamten Spielzeit daheim ungeschlagene FC sein Waterloo. Mit 1:0 entführten die „Canaries“ die Punkte aus Cartagena, hinterließen bei den Fans und Verantwortlichen pure Fassungslosigkeit. Dabei leistete sich der Top-Favorit von der Mittelmeerküste sogar noch den Luxus, fünf Minuten vor dem Spielende einen Elfmeter zu verschießen. Paco Gomes trug es äußerlich mit Fassung, innerlich brodelte es. Und auch in dieser Saison gibt es Schwierigkeiten.

Derzeit belegt der FC nur den dritten Tabellenplatz, eine Woche vor dem Test gegen Holstein Kiel wurde sogar der Trainer aufgrund unüberwindbarer Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Personalpolitik gefeuert. Interimscoach Pedro Arango Segura wird die Mannschaft vorerst führen. Der Spanier ist im Fußball kein Unbekannter, spielte er doch in den 70er Jahren zusammen mit Kurt Jara unter dem legendären Di Stefano in Valencia erfolgreich um Punkte. Aber trotz aller Erfahrung ging die Vorstellung seiner Mannschaft gegen die Störche schon einmal gründlich in die Hose, was Segura dazu bewegte, die Tugenden der Kieler zu loben: „Wir haben heute gegen eine sehr diszipliniert agierende deutsche Mannschaft verloren. Die Geschlossenheit des Gegners hat heute den Ausschlag gegeben. So etwas wünsche ich mir für meine Mannschaft im nächsten Punktspiel auch wieder.“ Es bleibt abzuwarten, ob dem FC Cartagena in diesem Jahr der Sprung in die 2. Liga endlich gelingt und man auf Augenhöhe mit dem Rivalen aus dem nahe gelegenen Murcia kommen kann. Andernfalls darf sich die Region immerhin über ihre prächtigen Golfplätze, das schier ewig währende Kaiserwetter und die Besuche namhafter europäischer Sportvereine während der Wintermonate freuen. Und der sportliche Misserfolg wäre der Beschaulichkeit der Gegend sicherlich auch nicht abträglich…

(nawe)

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