Von Störchen und Zaunkönigen

Fr. 19.30 Uhr Holstein Kiel – VSK Osterholz

„Nein, schämen müssen wir uns für den Punktgewinn in Cloppenburg sicherlich nicht“, brachte es Holstein-Coach Peter Vollmann auf der Pressekonferenz nach dem Spitzenspiel beim Tabellenzweiten am vergangenen Freitag auf den Punkt. Auch wenn es der KSV nicht gelang, gegen die Mannschaft der Ex-Kieler Christopher Hauptmann und Andrè Breitenreiter Dominanz zu entwickeln und die Kreise des BVC entscheidend zu stören, spätestens seit der Partie im Stadion an der Friesoyther Straße hat auch der letzte Fan der Störche erkannt: „Auch die Gegner in der Oberliga können Fußball spielen!“ Für diese Erkenntnis bedurfte es nicht einmal der Nachfrage im wenige Meilen von Cloppenburg entfernten Wilhelmshaven.

Auch die Mannschaft sah es zu Wochenbeginn realistisch. Der Punktgewinn war sehr wichtig, auch wenn das Team mit der eigenen Leistung nicht zufrieden sein konnte. “Wir werden unser Defensivverhalten weiter optimieren, aber vor allem auch die Offensive stärken, um mehr Torabschlüsse zu erzielen“, peilt Trainer Peter Vollmann mit seinen Störchen eine schrittweise Entwicklung an. “Dabei werden wir auf keinen Fall unsere Spielbalance opfern“, will Vollmann zwar weiterhin ein kalkulierbares Risiko in der Offensive eingehen, “niemals jedoch zu Lasten unserer Stabilität in der Defensive!“ Vor allem will der Kieler Trainer nach einer weniger ansprechenden Leistung “nicht gleich alles ändern und umstellen“, vertraut Vollmann weiterhin auf die Qualitäten seines von Verletzungssorgen beeinträchtigten Kaders.

Dass die Gegner mächtig dagegenhalten können, davon konnten sich beim Spitzenspiel in Cloppenburg immerhin 200 mitgereiste Fans überzeugen. Nein, die Zahl ist keineswegs geschönt, sondern vom Berichterstatter während der ersten Halbzeit gezählt worden und darf somit als echter Anhaltspunkt für das neue „zarte“ Holsteinfieber gewertet werden. Und selbst wenn beim Tor der KSV durch die leicht verunglückte Hereingabe von Youngster Tim Siedschlag auch ein wenig Glück mit im Spiel war, der Freude der Anhänger im Gästefanblock tat dieser Umstand absolut keinen Abbruch. Erklomm in Wilhelmshaven nach Aufforderung der Holstein-Fans noch KSV-Schlussmann Simon Henzler den Zaun, so war es in Cloppenburg „Matchwinner“ Tim Siedschlag, der sich aufgrund der Fangesänge nicht zweimal bitten ließ und gemeinsam mit den Fans die verteidigte Tabellenführung von oben herab feierte. Vom Storch zum Zaunkönig? Auf jeden Fall hoffen die Holstein-Fans in den kommenden Wochen auf ähnliche Gefühlsausbrüche im Lager des Spitzenreiters.

Allerdings stimmt es wirklich, dass es zuletzt beim Thema Holstein immer öfter Schweißausbrüche gab. Das liegt allerdings weniger an den Ergebnissen, sondern an der Tatsache, dass die Störche inzwischen nicht mehr nur ein Thema an den Stammtischen, in der Warteschlange des nahegelegenen Supermarktes, auf der Straße oder in den Bussen der städtischen Verkehrsbetriebe sind. Ein gepflegter Holstein-Talk macht neuerdings auch vor den Saunatüren Kieler Fitnesscenter keinen Halt mehr. „Durchmarsch? Warum denn nicht“, konterte ein älterer Herr am vergangenen Mittwoch bei satten 95 Grad den leichten Zweifeln eines Holsteiners, der offensichtlich noch immer an den Spätfolgen der vergangenen Saison zu leiden hatte.

Linderung könnte da ein neuerlicher Heimerfolg am Freitag um 19.30 Uhr gegen den VSK Osterholz-Scharmbeck bringen… (Patrick Nawe)

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