Interview mit Wolfgang Schwenke

Kooperation Holstein Kiel und San Francisco Glens: Interview mit Wolfgang Schwenke, kaufmännischer Geschäftsführer Holstein Kiel 

Wie wurde die Reise nach San Francisco Ende Juni genutzt?
Mit unserer Reise nach San Francisco hatten wir das Ziel, als Verein auch internationale Wege zu gehen und unsere Fühler auch auf dem Fußball-Wachstumsmarkt USA auszustrecken. Mit den San Francisco Glens haben wir einen Verein gefunden,  der wie wir diese Partnerschaft lebt und im Nachwuchsbereich die gleichen Werte hat. Deshalb haben wir die Reise dazu genutzt, den Kooperationsvertrag mit unserem neuen Partnerverein offiziell zu unterzeichnen und den Club mit all seinen Verantwortlichen und seiner Organisationsstruktur besser kennenzulernen. Als erstes gemeinsames Projekt haben wir dann ein fast einwöchiges Fußballcamp in San Francisco durchgeführt, welches von zwei Holstein-Jugendtrainern geleitet wurde. Außerdem standen diverse Firmenbesuche im Silicon Valley, der Austausch mit Spielern, Trainern und Funktionären verschiedener Vereine in Kalifornien sowie das Knüpfen neuer Kontakte dem Programm.

Welche Besuche fanden statt? Zu welchem Zweck?
Wir wollen als Holstein Kiel nicht nur internationaler, sondern künftig auch digitaler werden. Deshalb war es für uns wichtig, neue Kontakte zu Unternehmen in der Bay Area und dem Silicon Valley zu knüpfen und unser eigenes Netzwerk in der Region aufzubauen. So konnten wir zahlreiche interessante Firmengespräche führen zum Beispiel bei airbnb, der Startup-Schmiede Plug&Play, der Siemens-Tochter comfy, dem Fitness-Startup Vasper oder DocuSign. Es war für uns faszinierend, zu beobachten, welch ungeheure Dynamik von San Francisco und dem Silicon Valley ausgeht. Diese unglaubliche Kreativität und das Tempo wollen wir neben all den sportlichen Aspekten künftig auch für uns besser nutzen und dadurch einen Mehrwert für den Verein und die Stadt Kiel schaffen.

Wie kam es zu der Partnerschaft mit den San Francisco Glens?
Der Rahmen für diese Kooperation wurde bereits vor mehr als zwei Jahren mit der Gründung des Vereins „The Bay Areas e.V.“ abgesteckt, der auf vielen unterschiedlichen Ebenen eine Städtepartnerschaft zwischen Kiel und San Francisco ins Leben rufen wollte. Ziel war es, Menschen und Organisationen in diesen beiden Städten und ihren Regionen zu verbinden. Diese Idee hat uns sofort begeistert, so dass wir schließlich selbst Mitglied des Vereins geworden sind. Mit Unterstützung unserer Partner Puma, Wacken Foundation und Denker & Wulf haben wir dann die Chance ergriffen, den Doppelpass mit den Glens zu spielen und damit unseren eigenen Beitrag im Rahmen der Städtepartnerschaft zu leisten.  Ausdruck dieser neuen Partnerschaft ist ein gemeinsames Shirt der beiden Vereine, mit denen die rund  80 Teilnehmer des Fußballcamps ausgerüstet wurden.

Warum explizit dieser Club?
Die Glens sind nicht nur der größte Fußballverein in San Francisco, sondern auch äußerst aufstrebend und auf Wachstumskurs, insbesondere im Nachwuchsbereich. Waren es vor sechs Jahren noch vier Jugendmannschaften, so gehen mittlerweile 70 Teams mit rund 1300 Jungen und Mädchen in den verschiedenen Altersklassen für den Club auf Torejagd. Trainiert und gespielt wird auf öffentlichen Plätzen, das heißt, der Verein muss für den Spielbetrieb hohe Mieten an die Stadt zahlen, weshalb Fußball ein fast schon elitärer Sport ist. Die Herrenmannschaft der Glens ist im vergangenen Jahr in die USL League Two aufgestiegen. Hier sind fast alle U23-Spieler aktiv, die noch keinen Profivertrag besitzen und in der Regel noch ein College besuchen. Für die Major League Soccer (MLS), die Premiumklasse in den USA, ist diese Spielklasse allerdings die wichtigste Ausbildungsschmiede. Der Verein hat eine klare Vision für die Zukunft und möchte in den nächsten Jahren über seine Nachwuchsarbeit den Aufstieg in die höchsten amerikanischen Spielklassen schaffen. Insofern sind die Glens ein Startup, in welches wir investieren.

Was verspricht sich Holstein Kiel von der Kooperation?
Unser Besuch in der 800.000-Einwohner-Metropole in Kalifornien soll nur der Anfang einer Kooperation sein, die unter anderem gegenseitige Besuche von Nachwuchsspielern und Trainern, Austausch von Know-how und Ideen, Aus- und Weiterbildung der Glens durch Übungsleiter von Holstein Kiel im Rahmen von Fußballcamps sowie ein Trainingslager unserer Ligamannschaft im kommenden Jahr im Westen der USA vorsieht.  Wir haben das Spiel mit den Glens zusammen gerade erst angepfiffen und hoffen auf viele gemeinsame Tore.

In welchen Bereich kann Holstein Kiel am meisten profitieren? Sportlich wie wirtschaftlich.
Wir haben bei unserem Besuch gelernt, wie international der Verein ausgerichtet ist und seine Programme für den Wachstumsmarkt USA und darüberhinaus entwickelt. So gehören Reisen und die Organisation von Trainingslagern im Ausland zum festen Bestandteil der Jugendarbeit. Interessant für uns auch der starke Fokus auf die Nachwuchsarbeit. Nicht die Seniorenmannschaft, sondern die fußballerische Ausbildung der Kinder und Jugendlichen steht im Mittelpunkt. Dabei werden auch die Eltern konsequent eingebunden. Von dieser internationalen Ausrichtung möchten wir gerne etwas mit nach Kiel nehmen. Spannend sind auch die Rahmenbedingungen: Zur Seite stehen den Glens auf ihrem ehrgeizigen Weg ein  erfahrenes Management zum Beispiel mit ehemaligen US-Nationalspielern, die Wachstumsregion San Francisco mit all ihren Möglichkeiten und dem enormen Kapital möglicher Sponsoren sowie enge Beziehungen zum Major League Soccer Club San Jose Earthquakes und zur Eliteuniversität Stanford, wohin immer wieder Talente vermittelt werden. Dieser Weg der Glens unterscheidet den Club von vielen anderen Vereinen in den USA und genau deshalb kooperieren wir mit ihnen.

Warum ist der US-Markt für Holstein Kiel interessant?
Der US-Markt ist nicht nur der weltweit größte Sportmarkt, von dem alle großen Trends ausgehen, sondern im Bereich Fußball auch ein absoluter Wachstumsmarkt. Die Zahl der Fans und Follower nimmt stetig zu, amerikanische Fanclubs europäischer Top-Vereine gründen sich in großer Zahl. Kalifornien spielt dabei eine besondere Rolle, weil hier der Anteil der fußballbegeisterten Mexikaner und Südamerikaner besonders hoch ist. Die Kids gehen immer weniger zum Baseball, sondern bevorzugen immer häufiger Soccer. Als wir während unserer Reise beim Baseballspiel der San Francisco Giants waren, kamen gegen die Arizona Diamondbacks 35.000 Zuschauer in den Oracle-Park. Beim Clasico der San Jose Earthquakes gegen L.A. Galaxy waren dagegen 50.000 im Stanford Stadium und erlebten eine rauschende Party mit großem Feuerwerk. Der Fußball hat hier großes Potenzial – und da wollen wir als Holstein Kiel im Rahmen unserer Städtepartnerschaft mit dabei sein.

Ist die Kooperation zeitlich begrenzt?
Wir haben verabredet, dass wir nach fünf Jahren mal gemeinsam eine Halbzeitbilanz ziehen. Wenn nach dieser Zeit der erste Spieler aus Kalifornien in unserem Kader stünde, wäre das natürlich ein Traum. Aber da wir von einer ganz wunderbaren Städtepartnerschaft zwischen Kiel und San Francisco getragen sind, geht es um viel mehr als nur das Sportliche.  Sondern auch darum, die deutsch-amerikanische Freundschaft zu bewahren und zu stärken – auch für die junge Generation unserer Fußballerinnen und Fußballer.

Wie soll die Kooperation künftig gelebt werden?
Wichtig ist: es geht um erfolgreiche Doppelpässe, das heißt beide Partner sollen davon profitieren, also auch die Glens von uns. Hierbei muss man den sportlichen und den wirtschaftlichen Bereich unterscheiden. Sportlich können wir den Glens durch den Transfer von Know-how und Trainern ganz sicher helfen. An Athletik und Schnelligkeit mangelt es den Amerikanern auch nicht, aber im Bereich Technik und Taktik gibt es noch viel Potenzial. Das gilt natürlich insbesondere für den so wichtigen Nachwuchsbereich und der damit verbundenen Weiterbildung ihrer Trainer durch unsere Übungsleiter. Unser kürzlich ausgezeichnetes Nachwuchsleistungszentrum kann hier sicher den einen oder anderen Impuls geben. Wirtschaftlich betrachtet wollen sich die Glens vor allem bei der Vermarktung weiter professionalisieren und deshalb die Bereiche Marketing und Vertrieb in den nächsten Jahren ausbauen. Hier und auch hinsichtlich der Stadion-Infrastruktur sowie der Einbindung des öffentlichen Nahverkehrs bei Spielen können und wollen wir die Glens unterstützen.

Ist ein Gegenbesuch der Glens in Kiel geplant? Wer soll dann nach Kiel kommen?
Nach unserem „Auswärtsspiel“ in San Francisco werden die Glens als nächstes zu uns nach Kiel reisen. Dazu kommen im September die ersten U17-Talente zum Training nach Kiel, um dort Erfahrungen zu sammeln und sich zu präsentieren. Es wird für uns spannend sein, zu beobachten, wie sie sich im Vergleich zu unseren eigenen Talenten schlagen. Im nächsten Jahr wollen wir dann mit unserer Ligamannschaft und den Sponsoren in die USA reisen. Angedacht sind ein Trainingslager der Störche sowie auch Freundschaftsspiele. Unseren Sponsoren bieten wir an, mit an Bord zu sein und legen dazu ein spannendes Programm in unserer Partnerstadt San Francisco auf. Dabei soll es neben den touristischen Highlights in der kalifornischen Metropole und dem Besuch der Freundschaftsspiele auch um den Besuch verschiedener Unternehmen im Silicon Valley gehen, damit Kontakte geknüpft und wirtschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht werden können.

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