Unser ehemaliger Spieler Josef „Peppi“ Pistauer wird heute, am 29. September, 80. Jahre alt. Die KSV Holstein gratuliert ihrem einstigen Rechtsaußen recht herzlich.
Am 29. September 1945, nur wenige Monate nach dem Ende des 2. Weltkrieges, erblickte Josef Pistauer in Iglau/Sudetenland das Licht der Welt. Die Wirren der Nachkriegszeit führten die Familie Pistauer nach Gießen. Schon sehr früh besaß der Sport für den jungen Josef eine große Bedeutung. Und sein Fußballtalent sprach sich schnell herum. Als junger Spieler des MTV Gießen schaffte Pistauer den Sprung in die Juniorenauswahl Hessens, später sogar in die Süd-Auswahl und die Junioren-Nationalmannschaft. Dort stand Josef Pistauer, den alle nur „Peppi“ nannten, Seite an Seite mit den späteren Weltmeistern Franz Beckenbauer und Berti Vogts. Als der hessische Auswahltrainer Helmut Ullmann bei den Kieler Störchen anheuerte, stand auch der Name Pistauer in seinem Notizbuch. Sollte der junge Filigrantechniker „Peppi“ tatsächlich seine Heimat verlassen und im hohen Norden sein Fußballglück suchen?
Die Anfangszeit bei der KSV
Im Sommer 1964 waren die Vorgaben des Holstein-Vereinspräsidenten Heinrich Happ glasklar, „alle Arbeit in diesem Verein kennt nur ein Ziel, den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga“. Und alle Schritte, die man an der Förde vor der Saison 64/65 unternahm, gehörten zu diesem Plan. Natürlich auch die Verpflichtungen des späteren HSV-Kapitäns Bubi Hönig (FV Geisenheim) und Josef Pistauer (MTV Gießen). Der Sprung in die erste Mannschaft fiel dem damals neunzehnjährigen „Peppi“ in Kiel nicht schwer, von Beginn an wusste er auf und abseits des grünen Rasens zu überzeugen. So konnte der neue Kieler Trainer Helmut Ullmann bereits nach wenigen Wochen per Post gute Nachrichten an die Eltern seines Schützlings senden: „Ihr Sohn Peppi macht sich prächtig, er hat sportlich sehr gut eingeschlagen und auch beruflich ist er zufrieden gestellt. Bis jetzt habe ich mich nicht über Pepi zu beklagen. Auch bei seinen Kameraden ist er beliebt. Ihrem Sohn fehlt es hier an nichts. Er hat eine gute Wohnung und versteht sich mit seinem Sportkameraden Bubi Hönig prächtig. Auf jeden Fall werde ich Ihren Sohn hüten wie meinen eigenen, wie ich es Ihnen versprochen habe. Pepi denkt oft an seine lieben Eltern und Geschwister, und freut sich schon jetzt, wenn er einmal auf Besuch nach Gießen fahren kann.“

Sportlich lief es bei Holstein herausragend. Souverän führte man im Winter 64/65 die Tabelle an, die Zuschauer rannten den Störchen die Bude ein und die Träume vom Bundesliga-Fußball an der Förde nahmen langsam aber sicher konkrete Formen an. Kein anderer Regionalligist in Deutschland dominierte derart wie die KSV Holstein, auch die Bayern und Borussia Mönchengladbach nicht. Fragte man Kiels Trainer nach den Gründen für den Aufschwung, so sagte dieser voller Überzeugung: „Viele Dinge spielen eine Rolle. Aber feststeht, dass unsere Offensive durch Hönig und Pistauer um 50 Prozent durchschlagskräftiger geworden ist.“ Ullmann ließ hart trainieren, manchen sogar zu hart. Pardon wurde nicht gegeben. Und auch der raue Umgangston war für viele nur schwer zu ertragen. Doch der Erfolg gab dem ehemaligen Profi Recht. Der Kieler Trainer war hungrig und entschlossen, meinte trotz der tollen Saison bereits zur Winterpause: „Wir haben einen bärenstarken Sturm mit Hönig, Pistauer, Koll, Saborowski und Podlich.“ Doch Ullmann mahnte: „Mindestens zehn Stürmer brauche ich, um Bundesliga-Ansprüchen gerecht zu werden.“
Die Bundesliga-Aufstiegsrunde
So gut die sportliche Situation auch war, der Stuhl von Ullmann wackelte. Immer wieder hatte er betont, seinen 2-Jahres-Vertrag nicht erfüllen zu wollen. Ging es um Geld oder waren es die ewigen Streitigkeiten mit dem Kieler Vorstand? Am 5. Mai, ein Spiel vor Ende der Regionalliga-Saison, wurde Meistertrainer Helmut Ullmann fristlos entlassen. Die Stimmung trotz der souveränen Nord-Meisterschaft am Tiefpunkt. Mit Helmuth Johannsen sprang ein alter Bekannter in die Bresche. Zwar war der ehemalige Holstein-Trainer bei Eintracht Braunschweig unter Vertrag, doch die „Löwen“ stellten ihren Übungsleiter für die Zeit der Aufstiegsrunde frei. Und nachdem man in einem Testspiel daheim gegen den englischen Erstligisten Newcastle United ein starkes 1:1 erkämpft hatte, ging man optimistisch in die Bundesliga-Aufstiegsrunde. Dort warteten mit Wormatia Worms, SSV Reutlingen und Borussia Mönchengladbach schwere Gegner. Die Störche und die Fohlen-Elf gingen als Favoriten an den Start. Heute spricht Pistauer von Tragik, wenn er an die verpatzte Aufstiegsrunde zurückdenkt. „Wir haben es in den Heimspielen vergeigt“, meint Pistauer rückblickend. „Trainer Johannsen hat unser erfolgreiches System umgeworfen, plötzlich fehlte der besten Offensive aller deutschen Regionalligisten die Durchschlagskraft. Außerdem hat es sehr auf die Stimmung gedrückt, dass wir während der gesamten Zeit der Aufstiegsrunde in der Sportschule Malente kaserniert waren. Nur die Verheirateten durften mal nach Kiel fahren“, erinnert sich Pistauer an die wenig leistungsfördernden Rahmenbedingungen. Und aus heutiger sportmedizinischer Sicht schier unglaublich: Selbst bei hoch sommerlichen Temperaturen von über 30 Grad verbot Johannsen seinen Spielern, während des Trainings Wasser zu trinken.
„Mit Ullmann wäre Holstein damals in die Bundesliga aufgestiegen“, da ist sich Pistauer sicher. Erst in den letzten Spielen der Aufstiegsrunde kamen die Störche wieder in Fahrt und setzten sich vor heimischer Kulisse gegen Netzer, Heynckes, Rupp und Co. durch. Leider zu spät!

Die Rückkehr nach Hessen
Nach 1965 versuchte Holstein noch mehrmals, das Tor zur Bundesliga aufzustoßen, doch der Sprung in die Aufstiegsspiele sollte den Störchen nicht mehr gelingen. 1969, nach fünf Jahren und 137 Pflichtspielen (22 Tore) bei der KSV, verabschiedete sich „Peppi“ Pistauer von seinen Kieler Freunden und kehrte nach Hessen zurück. Nach einem kurzen Engagement bei Hessen Kassel schnürte er seine Schuhe unter anderem für den VfB 1900 Gießen im hessischen Oberhaus und erlebte nach seiner aktiven Zeit noch eine erfolgreiche Zeit als Trainer im hessischen Amateurfußball.
Heute lebt Josef „Peppi“ Pistauer noch immer mit seiner Frau Maren, übrigens eine gebürtige Kielerin, in Gießen. Nach seiner aktiven Laufbahn schlug Pistauer die Beamtenlaufbahn bei der AOK ein, stand auch noch lange Jahre als Trainer an der Außenlinie seinen Mann.
Die beiden Söhne Oliver und Björn traten übrigens sportlich in die Fußstapfen ihres Vaters. Björn schaffte es von 1988 bis 1990 sogar in den Bundesligakader von Eintracht Frankfurt und stand in den beiden Spielen gegen Werder Bremen und Borussia Dortmund Seite an Seite mit Größen wie Uli Stein, Karl-Heinz Körbel und Dieter Eckstein auf dem Rasen. 1992 verpasste Björn Pistauer, inzwischen im Trikot der Spielvereinigung Bad Homburg, durch eine 2:3-Niederlage bei RW Essen nur denkbar knapp den Gewinn der Deutschen Amateurmeisterschaft.
„Peppis“ bislang letzter Besuch
Bei seinem letzten Besuch im Holstein-Stadion, beim 1:0-Sieg gegen RB Leipzig im April 2012, meinte Pistauer: „Mit so einem stimmungsvollen Stadion hätten wir damals den Aufstieg in die Bundesliga geschafft!“ Nur eines vermisste „Peppi“ in seiner ehemaligen Heimstätte. „Die Bauchladen-Händler mit kühler Cola und Eis haben mir gefehlt“, schmunzelte der ehemalige Klassestürmer der Störche.
Am heutigen Montag, dem 29. September, feiert Josef Pistauer seinen 80. Geburtstag mit seiner Familie im Kurzurlaub in Garmisch-Partenkirchen. Die KSV Holstein gratuliert ihrem einstigen Rechtsaußen recht herzlich.
