Geschichte und Geschichten: KSV gegen Hertha – Duelle der Altmeister

Nur elf Pflichtspiele absolvierten die Kieler Störche und die Alte Dame Hertha in ihrer langen Vereinsgeschichte bislang gegeneinander, aber die meisten davon waren an Spannung und Dramatik kaum zu überbieten. Auf die vier vermutlich größten Duelle wird hier anlässlich der morgigen Zweitliga-Partie etwas genauer eingegangen.

Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1930

Insgesamt viermal trafen Holstein und Hertha vor dem 2. Weltkrieg in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft aufeinander. Die mit Abstand packendste Begegnung erlebten dabei die über 40.000 Zuschauer am 22. Juni 1930 im Düsseldorfer Rheinstadion beim Endspiel um die „Deutsche“. Bei über 35 Grad im Schatten dominierte Holstein die Partie zu Beginn und lag durch die beiden Treffer von Werner Widmayer (4.) und Oskar Ritter (8.) schnell vorn. Hertha-Kapitän Johannes „Hanne“ Sobek, der in den vier Endspielen zuvor viermal mit Hertha den Kürzeren gezogen hatte, egalisierte die Kieler Führung durch seinen Doppelpack (22./26.). Und auch zur Pause hieß es durch die Treffer des Kieler Kapitäns Johannes Ludwig (29.) und den Herthaner Bruno „Tute“ Lehmann (36.) 3:3-Unentschieden.

Nach dem Seitenwechsel kamen die Herthaner besser in die Partie und übernahmen das Kommando, doch Kiel hielt kämpferisch dagegen und konnte sich zudem über schnelle Vorstöße Chancen erarbeiten. Das Spiel wogte lange hin und her, ehe erneut Lehmann auf Vorlage von Sobek für Hertha traf und die Berliner erstmals in Führung brachte.

Der kicker berichtete im Juni 1930 umfangreich vom Meisterschaftsendspiel.
Nach einem der dramatischten Endspiel 1930 stellen sich die beiden Teams aus Kiel und Berlin in Düsseldorf zum gemeinsamen Siegerfoto auf.

Zehn Minuten vor dem Schlusspfiff kam es beim Stand von 4:3 für Hertha dann zu einer Szene, die in die Fußballgeschichte einging. Holstein-Mittelstürmer Ludwig war bei einer Aktion zu Boden gegangen und erwartete einen Pfiff des Schiedsrichters zu seinen Gunsten. Zur Überraschung aller entschied Willi Guyenz jedoch auf Freistoß für Hertha, woraufhin Ludwig sich entgeistert an den Kopf fasste und daraufhin vom Platz gestellt wurde – Guyenz sah in der Geste eine Provokation. „Selbst die Ansager am Rundfunk, die doch über allen Parteien stehen, ließen in diesem Moment ihren Gefühlen freien Lauf: Nein, nein, nein – das kann nicht sein“, so schilderte es die Berliner Fußball-Woche. Während der vermeintliche Übeltäter Ludwig „vor der Tribüne mit Weinkrämpfen zusammengebrochen“ war, wechselten die neutralen Zuschauer in Düsseldorf nun völlig auf die Kieler Seite und tobten bis zum Spielende gegen den Schiedsrichter.

In Unterzahl spürte die Holstein-Elf, dass ihr kampfbetonter Stil viel Kraft gekostet hatte. Mit einer großen Energieleistung stemmten sich die Störche dennoch gegen die drohende Niederlage und kamen durch einen Alleingang von Ritter acht Minuten vor Schluss tatsächlich zum umjubelten 4:4-Ausgleich. Die Spannung war nun auf dem Siedepunkt, bis in der 87. Minute Hans Ruch mit einem Abstaubertor nach einem Fehler der aufopferungsvoll kämpfenden KSV-Hintermannschaft mit dem 5:4 für die Entscheidung sorgte. Danach fehlte den Kielern die Kraft, um noch einmal zurückzukommen. Holstein war es also nicht vergönnt, nach 1912 zum zweiten Mal sein Vereinswappen auf dem Sockel der DFB-Meistertrophäe „Victoria“ zu befestigen. Hertha durfte nach zuvor vier verlorenen Endspielen erstmals jubeln.

Siegtreffer per Hand in der 2. Liga Nord

Bei vielen alteingesessenen Fans wird das Duell der 2. Liga Nord noch immer Erinnerungen hervorrufen, endete es doch aus Sicht der Berliner mit einem handfesten Skandal. Was war passiert? Erstmals konnte die KSV bis zum Ende des Spiels nicht die genaue Zuschauerzahl bekanntgeben, da die Kassierer bis zum Ende der Pressekonferenz nicht mit dem Geldzählen fertig geworden waren. Man konnte nur schätzen, dass über 10.000 Zuschauer im dicht geschlossenen Rund des Holsteinplatzes dabei waren. Und zum Auftakt der Feierlichkeiten zum 80. Vereinsjubiläum hätte sich die KSV Holstein damals kein schöneres Geschenk machen können. Das Kieler Publikum verabschiedete seine abgekämpfte Mannschaft nach dem 2:1-Erfolg über den Favoriten aus der Hauptstadt, und an der Förde durfte angesichts der hervorragenden Leistung wieder von der eingleisigen 2. Bundesliga, die im folgenden Sommer eingeführt werden sollte, geträumt werden.

Im Fallen trifft Horst Hamann 1980 per Hand zum Kieler Sieg.

Die Gemüter – vor allem die der Berliner – erhitzten sich an jenem Oktober-Nachmittag vor allem an der spielentscheidenden Szene in der 46. Minute. Holstein-Stürmer Horst Hamann hatte seinen Bewacher Gruler abgehängt und wollte an Hertha-Torhüter Gregor Quasten vorbeiziehen, als der erfahrene Schlussmann den Kieler am Oberschenkel festhielt und zu Fall brachte. Hamann stürzte frei vor dem Tor, gab dem Ball jedoch im Fallen mit der Hand einen Schubser und die Lederkugel rollte über die Torlinie hinweg zur Führung – und letztlich zum Sieg. Holstein überstand die Berliner „Großoffensive“ (O-Ton Kieler Nachrichten) im zweiten Durchgang und rettete den Erfolg über die Zeit. Den Berlinern gelang am Ende die Rückkehr in die Bundesliga, Holstein verpasste die Qualifikation zur eingleisigen 2. Bundesliga um Längen. Doch der Sieg gegen Hertha ging als eines der besten Zweitliga-Spiele in die Clubgeschichte ein.

Pokal-Sensation im Holstein-Stadion

9.300 Zuschauer trauten am 1. September 2002 gegen den Bundesligisten aus Berlin aber ihren Augen kaum, denn die kriselnden Störche – damals Schlusslicht in der drittklassigen Regionalliga Nord – sorgten mit einem 4:1-Sieg nach Elfmeterschießen für eine Sensation. Ein angesichts des Spielverlaufs in der Verlängerung etwas glücklicher, aber ein aufgrund der tollen kämpferischen Einstellung und eines überragenden Torhüters Manuel Greil insgesamt verdienter Erfolg für die Jurgeleit-Elf. Allein der wuchtige Führungstreffer von Matthias Rose sowie das Elfmeterschießen ohne jeglichen Gegentreffer waren gegen den Erstligisten das Eintrittsgeld wert. Gegen Ende der Partie schwappte sogar die „La Ola“ durchs Holstein-Stadion.

Manuel Greil pariert den Elfmeter von Herthas Roberto Pinto.

Publikumsliebling Güner Kopuk, der bis zur 114. Minute geackert und den brasilianischen Weltmeister Luizao sowie den polnischen Nationalspieler Bartosz Karwan ausgeschaltet hatte, meinte abgekämpft: „So etwas hat uns wohl nach dem Gruselstart in der Liga niemand zugetraut.“ Hertha-Trainer Huub Stevens, zuvor zweifacher DFB-Pokalsieger, war hingegen sichtlich angefressen: „Holstein hat uns das Leben sehr, sehr schwergemacht und ist verdient eine Runde weiter.“ Mann des Tages war ohne Zweifel der gebürtige Berliner im Kieler Tor, Manuel Greil. In der zweiten Runde sollten die Störche dann durch ein knappes 1:2 vor über 8.000 Zuschauern gegen den VfL Bochum die Segel streichen müssen.

Meilenstein auf dem Weg in die Bundesliga

Reibungslos verlief der atemberaubende Höhenflug der Störche in der Saison 2023/24 sicherlich nicht. Zu Beginn der Rückrunde brach mit Philipp Sander, Benedikt Pichler und Fiete Arp eine komplette Achse weg, zwischenzeitlich musste zudem auch Timo Becker passen. Doch gemeinsam mit seinen Assistenten Alexander Hahn und Dirk Bremser fand Trainer Marcel Rapp stets die passende Lösung für die personellen Engpässe. Ihr Verletzungspech schweißte die Mannschaft sogar noch weiter zusammen.

Knapp 5.000 Schlachtenbummler unterstützten unsere Störche im April 2024 in Berlin.
Dank Timo Beckers Elfmetertor nahm die KSV einen Punkt aus Berlin mit nach Hause.

Auch nach einem 0:2-Rückstand im Auswärtsspiel bei der Hertha gaben sich die Störche nicht auf. Finn Porath zog in der 81. Spielminute aus 15 Metern ab, der Ball wurde abgefälscht und schlug unhaltbar für Hertha-Keeper Tjark Ernst ein (81.).

Und es wurde noch einmal dramatisch. Als die Nachspielzeit bereits abgelaufen war, gab es nach Videobeweis Elfmeter für die Störche. Linus Gechter hatte Patrick Erras bei einem Klärungsversuch getroffen. Schiedsrichter Bastian Dankert sah sich nach Intervention des VAR die Szene an und zeigte auf den Punkt. Als Timo Becker dann vor den 46.835 Zuschauern – davon knapp 5.000 Anhänger aus Kiel – im Berliner Olympiastadion in der achten Minute der Nachspielzeit per Elfmeter zum 2:2-Ausgleich traf, ging der vielleicht entscheidende Ruck durch die Mannschaft. Was folgte, war eine imposante Serie von sechs Siegen ohne Gegentor. Und am Ende der Saison durfte Holstein erstmals den Aufstieg in die Bundesliga feiern.

Hinweis: In der neuen Holstein-Chronik zum 125. Vereinsjubiläum wird ausführlich in Wort und Bild über die Duelle gegen Hertha BSC berichtet. Die Chronik erhält per QR-Code abrufbar auch einen auf historischen Quellen basierenden Live-Kommentar des Meisterschafts-Endspiels von 1930.

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