Auf den Tag genau: Heute vor drei Jahren ist Marcel Rapp als neuer Cheftrainer der KSV Holstein an Bord gekommen. Zum Jubiläum blicken wir gemeinsam auf die zurückliegende Zeit zurück. Unser Aufstiegstrainer verrät, an welche Spiele er sich besonders gerne erinnert, warum er nie Angst um seinen Job hatte und ob sich seine Familie im Norden wohl fühlt.
Marcel, am 1. Oktober 2021 wurdest du bei uns im Verein als neuer Cheftrainer vorgestellt. Hättest du dir damals träumen lassen, dass du hier drei Jahre später als Bundesliga-Trainer sitzen wirst?
Naja, wenn ich ehrlich bin, als Bundesligatrainer wünscht man sich, dass man so erfolgreich ist. Aber ich bin nicht angetreten, um zu sagen: In drei Jahren spielen wir in der Bundesliga. Grundsätzlich bin aber nicht der Mensch, der etwas anfängt und sich dabei denkt, dass er in einem halben Jahr oder einem Jahr entlassen wird. Ich gehe immer positiv an solche Sachen heran. Bisher verlief meine Trainerlaufbahn ganz gut, weshalb ich hier auch nicht mit negativen Gedanken an die Aufgabe herangegangen bin. Ich hatte damals Lust auf Holstein Kiel und jetzt bin ich drei Jahre da – und habe immer noch Lust auf die Geschichte hier.
Wie war vor deinem Engagement bei Holstein Kiel dein Eindruck vom Verein? Und wie ist er es drei Jahre später?
Als ich noch ganz weit weg war und noch nichts mit Holstein Kiel zu tun hatte, war es der sympathische Verein aus dem Norden. Als ich dann die ersten Berührungspunkte hatte, damals mit Uwe und Wolle und Steffen, war mein Eindruck, dass Holstein Kiel ein bodenständiger Verein ist, der eine klare Idee hat und unaufgeregt ist. Und so nehme ich den Verein auch heute noch wahr.
Im Auswärtsspiel beim VfL Bochum hast du am 21. September dein 100. Pflichtspiel an der Seitenlinie als Cheftrainer absolviert. Es gibt aktuell nur vier Trainer in der Geschichte unseres Vereins, die mehr Spiele als Coach bestritten haben. Was bedeuten dir diese Statistiken?
Das macht mich stolz, vor allem wenn ich irgendwann darauf zurückblicke. Aber wenn man noch im Amt ist, dann geht es ja weiter und die Tagesaktualität holt einen regelmäßig ein. Die Zeit ist relativ schnell vergangen für mich, was ja ein gutes Zeichen ist. Ich komme immer noch genauso gerne zur Arbeit wie am ersten Tag. Wir haben ein gutes Arbeitsklima. Egal ob im Trainerbüro, in den Bereichen, die mit Sport zu tun haben, aber auch übergreifend zu allen weiteren Leuten in der Geschäftsstelle, die auch dafür verantwortlich sind, dass wir Erfolg haben. Von daher bin ich sehr gerne hier, das war von Anfang an so und ist bis heute so geblieben.
„Ich komme immer noch genauso gerne zur Arbeit wie am ersten Tag.“
Damit beantwortest du fast schon unsere nächste Frage: Was macht die Arbeit hier für dich denn darüber hinaus so einzigartig?
Die besonderen Menschen. Wir sind ein kleiner Verein, hier ist sich niemand für etwas zu schade und packt mit an. Das zeichnet uns auch aus im Vergleich zu manch anderem, größeren Verein. Wir sind bodenständig und fallen durchs Tun auf und nicht durchs Reden.
Schauen wir mal zurück: Was sind für dich die Highlights deiner drei Jahre hier?
Sportliche Highlights waren auf jeden Fall die Spiele gegen Bremen in meiner ersten Saison (2:1, 3:2, Anm. d. Red.). Auch alle Spiele gegen den HSV waren Highlights, die sind einfach etwas Besonderes. Dann natürlich auch die letzte Saison. Da lief ja nicht alles wie geschnitten Brot, sondern es gab auch mal schwierige Phasen. Aber dieser Zusammenhalt und wie wir das gemeinsam geschafft haben, diesen Umbruch zu vollziehen, da können wir alle stolz drauf sein. Wir haben wirklich verdiente Spieler verloren und trotzdem eine Mannschaft geformt, die ein neues und erfolgreiches Kapitel geschrieben hat. Aber klar, am Ende erinnert man sich an die besonderen Spiele, wie das in Wiesbaden. Wo wir aus einem Auswärtsspiel ein Heimspiel machen. Dass wir es geschafft haben, dass so viele Kieler zu einem Auswärtsspiel kommen, das war unglaublich. Dann natürlich das Heimspiel gegen Düsseldorf. Ich erinnere mich noch genau an diesen Tag: Das warme Wetter, überall gab es Public Viewing, wir kommen aus der Kabine und es war so laut, als hätten wir gerade ein Tor geschossen. Das setzt dem ganzen dann die Krone auf.
„Aber klar, am Ende erinnert man sich an die besonderen Spiele, wie das in Wiesbaden. Wo wir aus einem Auswärtsspiel ein Heimspiel machen.“
Du hast natürlich nicht nur Höhen erlebt in deinen drei Jahren hier. Gab es auch Momente, die besonders herausfordernd waren?
Es gibt in jeder Saison Phasen, die herausfordern sind. Als ich hierhergekommen bin, stand Holstein Kiel auf dem 15. Tabellenplatz der 2. Liga. Am Ende sind wir als neunter ins Ziel gekommen. In der Zeit gab es Siege, die besonders wichtig waren, wie den gegen den Tabellenführer FC St. Pauli. Es gab immer mal herausfordernde Phasen, aber es ging ja immer wieder bergauf bei uns. In der vergangenen Saison war die Winterpause eine besondere Herausforderung, als einige Spieler teilweise wochenlang gefehlt haben und wir trotzdem guten und erfolgreichen Fußball gespielt haben. Grundsätzlich gab es in der Saison immer unterschiedliche Phasen, nach sportlichen Misserfolgen, folgten Erfolgsserien und so ging die Fieberkurve am Ende ja aber immer nach oben, weshalb ich als Trainer nie das Gefühl hatte, dass ich nach dem nächsten Spiel meinen Job verliere.
Was war in diesen Phasen wichtig? Und inwieweit wurde dir hier das Vertrauen vermittelt, sprich woran hast du das gemerkt?
Ich hatte hier nie das Gefühl, dass mein Stuhl bedenklich wackelt, auch wenn wir mal ein paar Spiele verloren haben. Ich habe das Gefühl, die volle Unterstützung vom Präsidium zu haben. Es ist ein gutes Gefühl als Trainer, wenn man auf so einen Rückhalt bauen kann. Darüber hinaus lese ich aber auch keine Kommentare in den Sozialen Netzwerken, wodurch ich den Eindruck habe, dass Krisen oft heißer gekocht als gegessen werden.
Gibt es etwas, was du im Nachhinein anders gemacht hättest?
Puh, das ist schwierig. Es gibt immer Dinge, die man hätte anders machen können. Zum Beispiel Personalentscheidungen. Aber die muss man nun mal in dem Moment treffen. Ich sag immer: Wir wollen emotional Fußball spielen aber rationale Entscheidungen treffen. Also stehe ich zu meinen Entscheidungen und würde sagen, dass der ganz große Fehler nicht dabei war.
Blicken wir noch kurz auf dich als Privatperson: Hast du dich nach drei Jahren hier im hohen Norden vollständig akklimatisiert? Und wie sieht das bei deiner Familie aus?
Ganz vollständig wohl nicht, denn mein Dialekt ist immer noch zu hören (lacht). Ich bin super glücklich hier und meine Familie ist sehr glücklich und im Norden angekommen. Wir akzeptieren sogar das Wetter wie es ist und genießen die schönen Tage, weil es dann unfassbar schön hier ist. Wir versuchen, den Norden weiter zu erkunden, kennen uns inzwischen sehr gut aus und fühlen uns hier super wohl. Mit dem Dialekt brauche ich dann allerdings noch ein paar Jahre (lacht).
Nach getaner Arbeit geht es für dich und deine beiden Co-Trainer Alexander Hahn und Dirk Bremser regelmäßig an die Teqballplatte. Zahlt sich das jahrelange Training mittlerweile aus?
Ich war lange Zeit der Underdog, der oft verloren hat. Aber da dreht sich das Rad weiter und nun muss man festhalten, dass ich inzwischen mindestens auf Augenhöhe bin. Da merkt man, dass Training etwas bringt, auch wenn meine Kollegen das nicht so gerne hören (lacht).
Mit dem Wissen von heute: Was würdest du dem Marcel Rapp von vor drei Jahren sagen wollen?
Dass ich es genauso weitermachen sollte, wie ich es damals auch gemacht habe. Jeden Tag versuchen, der beste Trainer zu sein. Immer aufgeschlossen gegenüber Verbesserungen zu sein und zu versuchen, für ein gutes Betriebsklima zu sorgen. Auch mit den Spielern weiterhin immer ehrlich zu sein. Auf dem Weg bin ich immer noch der gleiche wie damals, als ich angefangen habe. Meine Grundtugenden sind die gleichen und ich würde zu mir sagen: Du bist auf dem richtigen Weg.