70. Geburtstag von Immo Stelzer

Lässt man seinen Blick über die ewige Einsatzliste der KSV Holstein schweifen, dann findet man ganz vorn neben dem Kieler Fußball-Denkmal Peter Ehlers (369 Punktspiele), dem Beckenbauer von der Förde Jochen Aido (312) und dem ewigen Kapitän Henning Hardt (304) einen Haudegen, der wie kaum ein anderer Kicker im letzten halben Jahrhundert die Sport- und Fußball-Landschaft in der Landeshauptstadt geprägt hat: Immo Stelzer. Von 1976 bis 1986 war der gebürtige Schleswiger in seinen 296 Punktspielen das Nonplusultra im Trikot der Störche – erst als wuchtiger Mittelstürmer, dann als eisenharter, torgefährlicher Vorstopper. Noch immer steht Stelzer seinen Mann in der Holstein-Traditions-Elf. Heute feiert der 1,93 m-Hüne seinen 70. Geburtstag.

Sechs Steaks vor dem Spiel

Inmitten der Tiroler Berge in Naudersam Reschenpass feiert der Jubilar heute mit der Familie seinen Ehrentag. Dort, wo Stelzer Anfang 2020 von der Virenwarnung im benachbarten Corona-Epizentrum Ischgl überrascht wurde, genießt der passionierte Skifahrer die Sonne und bis zu 30 cm Neuschnee. Zur Freude von Stelzer ist in diesem Jahr auch zum ersten Mal die kleine Nichte mit dabei und hat die ersten Gehversuche auf der Piste bereits erfolgreich absolviert. Dass die Abfahrt beim Holstein-Urgestein nicht mehr ganz so rund läuft wie einst im Mai, akzeptiert der frühere Modellathlet und Marathon-Jünger: „Die Knochen knacken überall und auch die Knie machen mir zu schaffen. Aber insgesamt fühl ich mich noch recht fit. Dafür sorge ich allein schon durch langsames Joggen, regelmäßiges Muskeltraining im Fitnesscenter und auch hin und wieder beim Tennis.“ Und auch die Zeiten, in denen sich Immo Stelzer am Vorabend von Auftritten in der 2. Liga Nord sechs Steaks gegönnt hat, gehören der Vergangenheit an: „Natürlich muss ich mit 70 Jahren aufpassen. Alles verzeiht mir mein Körper dann doch nicht mehr.“

Wir brauchen keinen Kevin Keegan

Schon von frühester Kindheit an hat Stelzer den Sport geliebt. Auf alten Schwarz-Weiß-Fotos sieht man ihn als kleinen Jungen auf dem Jahrmarkt Gewichte heben. Mit zwölf Jahren begann er dann mit dem Fußballspielen. Bei Schleswig 06, damals in der höchsten Landesklasse eine Macht, holte er sich mit seiner wuchtigen Art als 22-Jähriger die Torjägerkanone. Die Rufe aus dem Storchennest ließen nicht lange auf sich warten. Zwar hatte Stelzer gerade ein Lehramtsstudium an der Uni Kiel begonnen, doch nebenbei wollte er mit Holstein etwas „reißen“. Das, was Stelzer dann nach seinem Wechsel an die Förde im Sommer 1976 erlebte, darf mit Fug und Recht als ein echtes Kieler Fußballmärchen bezeichnet werden. Unter Torjägerlegende und Trainer Gerd Koll avancierte die KSV Holstein von einem Abstiegskandidaten der drittklassigen Amateuroberliga Nord zu einem Aufstiegsanwärter. Zusammen mit dem blutjungen Axel Möller bildete Stelzer ein kongeniales Offensiv-Duo, das zusammen satte 41 Treffer erzielte. Die 14 Tore, die das Duo Stelzer in den letzten sieben Saisonspielen markierten, sorgten für die größte Sensation, denn urplötzlich stand der Altmeister von der Förde in der Aufstiegsrunde zur 2. Liga Nord. Und die restlos begeisterten Holstein-Fans huldigten ihren Helden in Anlehnung an Englands Torfabrik Kevin Keegan mit einem großen Banner: „Wir brauchen keinen Keegan, mit Axel und Immo werden wir siegen!“ Ein großer Keegan-Fan war der robuste Stelzer allerdings nicht, er liebte es auf dem Feld eher rustikal: „Mein Idol war immer Dieter Müller, aber als Lieblingsspieler habe ich wie so viele Gerd Müller verehrt.“

Die „goldenen“ Jahre

Auch wenn die junge Holstein-Elf, die zur Hälfte aus Eigengewächsen bestand, in der Aufstiegsrunde 1977 noch zu grün war und scheiterte, herrschte in der Landeshauptstadt echte Euphorie. Und nur ein Jahr später gelang der KSV dann der große Wurf. Als „Wölfi“ Hansen im alles entscheidenden Aufstiegsspiel gegen Wacker 04 Berlin den 1:0-Siegtreffer erzielte, standen die Kieler Fans Kopf und 12.000 Zuschauer feierten Karneval in Kiel. „Ich wusste nach dem Schlusspfiff gar nicht mehr wie mir geschah. Die Fans fluteten den Rasen – damals gab es noch keinen Zaun – und plötzlich hatte ich eine riesige Sektflasche in der Hand“, so Stelzer, der sich im Nachgang auch nicht mehr erinnern konnte, dass er kurz drauf voller Euphorie in Unterhose vor der Haupttribüne tanzte. Der Aufstieg in die 2. Liga Nord war das Comeback der Störche in der Zweitklassigkeit. Wenige Wochen danach toppte Holstein die Aufstiegs-Feierlichkeiten sogar noch, als der Favorit der 2. Liga Süd, der Karlsruher SC, im DFB-Pokal vor fast 15.000 Zuschauern mit 5:2 vom Holsteinplatz gefegt wurde. „Damals lagen wir Mitte der zweiten Hälfte noch 1:2 hinten, dann hörten wir die Fanglocke von der Gegengerade und wir kannten kein Halten mehr.“ KSV-Coach Böge sagte nach dem Spiel völlig euphorisiert: „Ich glaube, wir haben heute die beste zweite Halbzeit nach dem Krieg gesehen.“

Huckepack mit Immo

 „In der 2. Liga Nord hatten wir eine ganz tolle Zeit. Wir waren eine verschworene Gemeinschaft und nach den Spielen haben wir schon mal zusammen die Nacht durchgemacht. Auf so mancher Rückreise von Auswärtsspielen gab es sogar eine Zigarre im Bus“, erinnert sich Stelzer. Sein Teamkollege von damals, Axel Möller, spricht noch heute in den höchsten Tönen von Stelzer: „Immo war immer bodenständig, ehrlich und gut gelaunt. Wir waren auch abseits des Platzes eng befreundet. Er war ein idealer Sturmpartner. Nur beim Huckepack-Dauerlauf hatte niemand Bock auf Immo, der war mit seinen fast 100 kg einfach zu schwer für uns.“ Drei Jahre lang kickte Immo Stelzer mit Holstein in der 2. Liga Nord und blieb den Störchen auch nach dem Abstieg 1981 treu.

Stelzer läuft 1981 beim Freundschaftsspiel im Holstein-Stadion gegen Düsseldorf vorne weg

Herzensverein

Ende der 80er Jahre wurde es fußballerisch etwas ruhiger um Immo Stelzer, beruflich sorgte er sich als Erzieher um eine Wohngruppe in Kiel-Wik. Doch dann stand er in der Saison 1995/96 noch einmal als Co-Trainer neben KSV-Coach Harry Witt an der Seitenline. Und in der Regionalliga Nord unter Torsten Gutzeit fand Stelzer dann sein Holstein-Herz wieder, mischte sich immer häufiger unter die Zuschauer und stand beim Pokal-Wintermärchen 2011/12 erstmals für das Holstein TV vor der Kamera. Kurz vor dem Aufstieg in die 3. Liga in Kassel gründete Immo dann zusammen mit seinem langjährigen Mitspieler Thorsten Neumann, dem ehemaligen Holstein-Masseur Klaus Gudat und Holsteins Medienkoordinator Patrick Nawe die Traditions Elf der Störche neu. Bis heute schnürt Stelzer für die „Oldies“ die Fußballstiefel. „Holstein ist mein Herzensverein, mittlerweile bin ich einer der größten Fans inklusive Auswärtsfahrten. Momentan freue ich mich sehr über den Aufschwung. Das Spiel der Störche gefällt mir so gut, dass ich fest davon überzeugt bin, dass es für den Aufstieg reicht. Das wäre natürlich ein Traum“, so der Jubilar.

Aufstiegs-Endspurt

Am Vorabend seines Geburtstages erreichten wir Stelzer telefonisch in seinem Urlaubsdomizil in Tirol. „Heute Abend bin ich mit dem Kochen dran“, freute sich das Holstein-Urgestein auf einen gemütlichen Abend im Schnee. Ende dieser Woche will sich Immo Stelzer dann in der Landeshauptstadt zurück melden, denn dann beginnt auch für den 70-Jährigen der Saison-Endspurt. „Ich glaube, dass wir am Ende mit drei oder vier Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz direkt hochgehen“, zeigt sich Immo Stelzer äußerst optimistisch. Der Fußball-Held von einst geht mit seinen Störchen also auch ohne Keegan und Gerd Müller „all in“. Und dann korrigiert Immo Stelzer seine ursprüngliche Aussage noch einmal mit einem Lächeln: „Ich glaube Dieter Müller war doch der Beste für mich, denn der feiert am gleichen Tag Geburtstag!“

In diesem Sinne, herzlichen Glückwunsch zu Deinem 70. Geburtstag, Immo!

Diesen Artikel teilen

Facebook
Twitter