Der Westfale

Torhüter Lukas Kruse über seine Wurzeln, Kenneth Kronholm und Helene Fischer

Als die Anfrage aus Kiel kam, zögerte Lukas Kruse nicht lange. Sportlich war sein Verein, der SC Paderborn, gerade in die Regionalliga abgestiegen, als die KSV Holstein bei der Suche nach einem zweiten Torhüter hinter Kenneth Kronholm beim mittlerweile 34-Jährigen fündig wurde. Am Ende der Karriere noch einmal eine Saison in der 2. Bundesliga spielen – warum auch nicht? Mit Kruse gewannen die Störche einen sympathischen Typen, der mit seiner Rolle als Nummer zwei gut leben kann. Auf den sich der Aufsteiger aber zu hundert Prozent verlassen kann, wenn Kronholm, wie beim 0:0 in Fürth, dann doch einmal fehlt. Lukas Kruse im Buchstabenporträt.

Lieblingsplatz: Ich bin gebürtiger Westfale und in meinem Berufsleben deshalb eher weniger mit Stränden in Berührung gekommen. Die KSV Holstein ist mein erster Verein, der eine so schöne Küste direkt vor der Haustür hat. Ich wohne in Pries, habe deshalb einen kurzen Weg zum Falckensteiner Strand. Wenn meine Kinder, die zwei und vier Jahre alt sind, und meine Frau Juliane mich besuchen, sind wir dort regelmäßig auf dem Spielplatz. Das ist eine schöne Ecke von Kiel, sehr naturbelassen. Auch in Strande bin ich regelmäßig, wenn die Sonne denn mal scheint.

Unterwegs: Im Moment bin ich jede freie Minute auf der Autobahn. Meine Familie lebt in Paderborn, wir haben dort gerade ein Haus gebaut, in dem noch viel zu machen ist. Paderborn war und ist unser Lebensmittelpunkt. Und da unsere große Tochter schon in die Kita geht, wollen wir sie auch nicht zu oft aus ihrem Umfeld reißen, damit sie mich in Kiel besuchen kann. Also fahre ich regelmäßig nach Hause. Grundsätzlich bin ich eher der häusliche Typ, aber den Urlaub habe ich auch schon in Amerika und auf den Malediven verbracht. Das waren schöne Erfahrungen, aber Fernweh habe ich mittlerweile nicht mehr. Ich bin glücklich, wenn ich meine Familie um mich habe.

Kronholm: Kenny ist ein super Typ, mit ihm gibt es immer etwas zu lachen. Im Trainingslager haben wir einmal nicht in einem Apartment gelebt, aber sonst teilen wir uns auf Auswärtsfahrten immer ein Hotelzimmer. Wir verstehen uns einfach gut. Grundsätzlich herrscht aber im ganzen Torwartteam gute Stimmung, mit Bernd (Schipmann, dritter Torwart, d. Red.) und Patrik (Borger, Torwarttrainer, d. Red) macht das Arbeiten Spaß. Es ist wichtig, mit Freude zum Training zu kommen, das fördert die Leistung. Die Zeiten, in denen in einem Torhüterteam sich alle als Konkurrenten gesehen haben, sind meiner Meinung nach auch vorbei. Ich freue mich über jedes gute Spiel, das Kenny macht. Als ich in Kiel zugesagt habe, war klar, dass er als Aufstiegstorhüter die Nummer eins sein wird. Und es gibt aus meiner Sicht auch keinen Grund, das zu verändern.

Ausland: Es ist ein Ziel gewesen, einmal in Amerika zu spielen. Leider hat es sich nicht ergeben. Wenn es einmal lose Kontakte gab, passte ein solches Engagement nicht in meine Lebensplanung. Nach meiner Bundesliga-Saison mit dem SC Paderborn wäre es wohl möglich gewesen, aber da war ich gerade Papa geworden – und habe diesen Gedanken nicht weiter verfolgt. Der Fußball in Amerika entwickelt sich seit Jahren gut, ich finde das Projekt sehr interessant. Und über meinen Bruder Tobias, der drei Jahre in San Francisco gelebt und gearbeitet hat, hatte ich einen guten Draht zu diesem Land. Ich habe ihn besucht und den Eindruck gewonnen, dass das Leben in den USA entspannt ist. Ob mein Englisch ausreichend gewesen wäre? Englisch hatte ich als Leistungskurs, das wäre eine gute Basis gewesen.

SC Paderborn: Dieser Verein ist für mich längst eine Herzensangelegenheit geworden. Beim SC Paderborn bin ich groß geworden, habe dort von der C-Jugend an gespielt, bin mit ihm in die Bundesliga aufgestiegen. Mit dem Fußball habe ich beim SV Rot-Weiß Alfen begonnen, in einem Nachbardorf von Paderborn. Ich kenne noch viele Mitarbeiter beim SC, habe dort neben dem Auf- auch den einen oder anderen Abstieg miterleben müssen. Aber auch, wie das Stadion und das Trainingszentrum gebaut wurden….Schön zu sehen, dass der Verein sich wieder berappelt hat und in der kommenden Saison hoffentlich wieder in der Liga spielt, in die er gehört. In der 2. Bundesliga. Ich kann mir gut vorstellen, nach meiner Karriere in dem Verein eine Funktion zu übernehmen.

Karriere: Ich habe von 1995 bis 2008 und von 2010 bis 2017 für den SC Paderborn gespielt. Nach der A-Jugend bin ich direkt in die 1. Mannschaft aufgerückt und bekam in der damals drittklassigen Regionalliga einige Einsätze. In der Saison 2007/08 sind wir aus der 2. Liga abgestiegen, in der Rückrunde habe ich im Tor gestanden. Anschließend dachte ich mir, dass es an der Zeit ist, etwas Neues zu machen und wechselte zu Borussia Dortmund, als Nummer drei hinter Roman Weidenfeller und Marc Ziegler. Ein halbes Jahr bin ich beim BVB geblieben, kam in der 2. Mannschaft zum Einsatz und saß dreimal in der Bundesliga auf der Bank. In der Winterpause wechselte ich zum FC Augsburg in die 2. Liga, und war dort jeweils zweiter Mann hinter Sven Neuhaus und Simon Jensch. Das war eine sehr schöne Zeit. Der Süden liegt mir, die Menschen waren nett, und mit Tobi Werner, der heute beim 1. FC Nürnberg spielt, habe ich dort einen meiner besten Freunde kennengelernt. Weil es sportlich aber nicht so rund lief, bin ich mit Juliane, die mich nach Augsburg begleitet hatte, nach Paderborn zurückgekehrt. Der SC spielte wieder in der 2. Liga, ich war 27 Jahre alt – da dachte ich, dass es an der Zeit ist, nach Hause zurückzukehren. In der ersten Saison habe ich nicht gespielt, aber dann, im zweiten Jahr, hat sich mit dem neuen Trainer Roger Schmidt alles geändert. Von da an stand ich bis zu meinem Wechsel nach Kiel immer im Tor.

Ruhm: Ich weiß, dass das ganze Drumherum im Fußballsport dazugehört. Ich weiß auch, dass die zunehmende Kommerzialisierung es uns Fußballern möglich macht, mit unserem Sport gutes Geld zu verdienen. Aber ich persönlich brauche den Rummel nicht und auch keine Helene Fischer in der Halbzeit des Pokalfinales. Für die jüngeren Fußballer wird es immer wichtiger werden, die Balance in dieser Welt zu finden. Wer heute als 20-Jähriger schon Millionen verdienen kann, verliert auch schnell mal die Bodenhaftung. Ob der Sport unter der Kommerzialisierung leidet? Das glaube ich nicht.

Unentschieden: Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, bleibt ein Spiel besonders in meinem Gedächtnis haften – das 1:1 mit dem SC Paderborn in unserer Bundesligasaison beim VfL Wolfsburg im Dezember 2014. Da habe ich das wahrscheinlich beste Spiel meiner Karriere gemacht. Die „Bild“ titelte am nächsten Tag „Kruse, die Krake“ und dichtete mir acht Arme an. Und in einem Sky-Ranking lag ich zu diesem Saisonzeitpunkt mit den meisten Paraden pro Spiel ganz vorne. Wolfsburg war uns ziemlich überlegen, führte mit 1:0 und bekam dann noch einen Strafstoß, ein 2:0 wäre die Entscheidung gewesen. Aber den Elfer von Ivan Perisic, der in die von mir aus gesehen rechte Ecke ging, parierte ich und danach hatte ich einen Lauf. Das Unentschieden war ein sehr glückliches für uns.

Studium: Ich studiere an der IST Hochschule für Management in Düsseldorf im Fernstudium im siebten und vorletzten Semester Sportbusiness Management. Ich kann von Kiel aus online an den Vorlesungen und Tutorien teilnehmen, die Prüfungen lege ich in Hamburg ab. Mit dem Studium habe ich mit dem Aufstieg in die Bundesliga begonnen. Viele haben mir davon abgeraten, gesagt, dass ich mich auf dieses besondere Erlebnis freuen und mich nicht durch ein Studium ablenken lassen soll. Aber es war gerade wegen des Aufstiegs die richtige Entscheidung, weil es der perfekte Ausgleich gewesen ist. Die erste bestandene Klausur gab mir ein besseres Gefühl als der erste Sieg in der Bundesliga. Das hatte ich zu hundert Prozent selbst erreicht und mir bewiesen, dass ich als 31-Jähriger wieder mit dem Lernen beginnen kann.

Erlebnis: Für einen Sportler ist es ein besonderes Erlebnis, mit seinem Heimatverein in die Bundesliga aufzusteigen. Das waren besondere Momente, als wir es am Ende tatsächlich geschafft hatten. Das war keine Selbstverständlichkeit, begann die Saison doch nicht gut, im Pokal flogen wir gegen den 1. FC Saarbrücken raus, einen Drittligisten. Aber dann gewannen wir ein Schlüsselspiel beim FC St. Pauli und bekamen einen Lauf. Trotzdem mussten wir unser letztes Spiel, zu Hause gegen den VfR Aalen, gewinnen. Die SpVgg Fürth, mit der wir um den zweiten Platz konkurrierten, gewann zeitgleich 3:0. Und wir lagen gegen die Aalener, die gegen uns alles reingehauen haben, mit 0:1 zurück. Aber wir drehten das Spiel, gewannen mit 2:1 und stiegen hinter dem 1. FC Köln als Zweiter direkt auf. Im Bundesligajahr habe ich alle Spiele von der ersten bis zur letzten Minute bestritten. Die Tage danach werde ich nie vergessen, Party auf dem Rathausplatz, Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, etc…

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