„Die Kabine ist das Herz“

Porträt: David Kinsombi über das Innenleben einer Mannschaft, Ingwer, Ordnung und Bußgelder

DavidKinsombistieg in der vergangenen Saison mit dem Karlsruher SC aus der 2. Fußball-Bundesliga ab, doch während der KSC in der Dritten Liga einen neuen Anlauf nimmt, blieb der 21-Jährige in der Klasse – als Neuzugang des Aufsteigers KSV Holstein.Kinsombi, der in der Nachwuchsabteilung des Bundesligisten FSV Mainz 05 ausgebildet wurde, spielt bei den Störchen auf der „Sechs“,eine Position, die ihm sehr liegt, weil sie das Bindeglied zwischen Defensive und Offensive ist.David hat seine Wurzeln im Kongo, spielte aber in der U18-Nationalmannschaft für Deutschland – ein Buchstaben-Porträt:

Dezember:Das ist mein Lieblingsmonat. Ich habe im Dezember Geburtstag,wiemeine MutterMilandu. Aber der Dezember ist auch deshalb so besonders für mich, weil ich die Weihnachtszeit liebe.Das sind eigentlich die einzigen Tage im Jahr, an denen sich die ganze Familie im Haus meiner Eltern in Wiesbaden trifft. Wenn alle kommen, sind wir schon einmal mehr als zehn Personen. Dieses Zusammensein genießen wir!

Ausland:Ich bin zwar erst 21 Jahre alt, aber schonvielin der Weltrumgekommen. Ichverreise gerne, interessiere mich für Menschen undandereLänder.Besondere Wunschziele habe ich nicht, aber wenn ich 50 Jahre alt bin, möchte ich schon gerne ein breitgefächertesSpektrum gesehen und erlebt haben. In meinem letzten Urlaub war ich zum ersten Mal in Griechenland, den tollen Kieselsteinstrand werde ich so schnell nicht wieder vergessen. In der Sommerpause fliege ich nach Kinshasa, das steht fest. Dort leben meine Großeltern und viele Verwandte. Zuletzt bin ich im Sommer immer von einem Verein zum anderen gewechselt und hattefür einen solchen BesuchgarkeineZeit dafür. Aber jetzt, mit einem Zwei-Jahres-Vertrag bei Holstein Kiel, wird das endlich wieder möglich sein.Das ist fest eingeplant!

Verlieren:Ich bin generell ein schlechter Verlierer, auch abseits des Fußballfeldes. Ich verliere einfach richtig ungern, glaube aber, dass mein Umgang mit Niederlagenim Laufe der Jahre besser geworden ist. Zumindest behaupten das die Menschen, die mich schon lange kennen.Ganz besonders hoch geht es her, wenn ich mit meinen Geschwistern Christian, Sarah und Helga, die alle jüngersindals ich, „Mensch ärgere ich Dich“ spiele.Wir vier sitzen eigentlich immer um dieses Brett herum. Wenn einer mal nicht kann, springt unsere Mutter ein.Läuft es nicht gut,kann ich auch mal richtig sauer werden

Gerade zwischen meinem Bruder, der in der A-Jugend von Mainz 05 spielt undauch dasZeug hat, Profi zu werden,und mirwird es oft richtig heiß. Er weiß einfach,wann erwelchen Fingerin die Wunde legen muss. Gut für michund meine Geschwister, dass ich bei „Mensch ärgere Dich nicht“oft Würfelglück habe undmeistens gewinne…

Ingwer:Für mich das Allzweckmittel! Koche ich, ist Ingwer sehr häufig in meinen Gerichten vertreten. Und wenn sich eine Erkältung anbahnt, trinke ich heißes Wasser mit Ingwer – mir hilft das.

Dubai:Ich habe gerade ja gesagt, dass ich eigentlich kein Wunschziel habe. Aber Dubaiist dann doch eine Ausnahme. Dahin wollte ich schon immer einmal. Mit Eintracht Frankfurt war ich einmal in Abu Dhabi im Trainingslager, das hat mich sehr beeindruckt. Die Gebäude sehen verrückt aus und wirkenalleso, als wären sie erst in der vergangenen Woche fertiggestellt worden. So neu sehen die alle aus. Sehrmodernalles, das gefällt mir. Für Dubai werde ich mir mal ein paar Tipps von meinemMitspieler Dominik Schmidt holen, der war ja schon einige Mal da. Grundsätzlich bin ich aber der Typ, der gerne in einer bunteren Stadt lebt. Heißt, dass ein Stadtteil nicht wie der andere aussieht. DieseUnterschiedlichkeit hat mir beispielsweise in Frankfurt gut gefallen.

Kabine:Für das Innenleben einer Mannschaft ist die Kabine ein sehr wichtiger Ort. Funktioniert die Mannschaft, dann wird hier viel gelacht und die Spieler sitzen nicht in Grüppchen zusammen. Bei uns istesso, dass alle gerne in die Kabine gehen.Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Mannschaft intakt ist.Manchmal sitzen wirhiermit 15 Leuten im Kreis und reden miteinander. Das istdannzwar nicht sonderlich konstruktiv, aberauf jeden Fall immerlustig.

Internet: Darum kommt manoffenbargar nichtmehrherum,der Großteil unseres Lebens ist an das Internet gekoppelt.Um mit meiner Familieund Freundenin Kontakt zu bleiben, empfinde ich es als hilfreich. Wir als Mannschaft haben auch einewhatsapp-Gruppe, in der Trainingspläne und Abfahrtszeiten gestellt werden. Aber früher sind die Mannschaften auch rechtzeitig abgefahren, wenn der Plan in der Kabine hing.Ich denke, ich würde es auch ohne Internet schaffen. Auf jedenFall gehöre ichnichtzu der Sorte, die alle fünf Minuten auf das Handy blicken muss und traurig ist, weil wieder keine neue Nachricht eingegangen ist. Ich bin durchaus in der Lage,mich auch einmal für ein paar Stundenauszuklinken. Dann liegt das Handyzu Hause irgendwo rum undichhöre darüber Musik. Eigentlichmüssten wir Fußballer auch mit demInternetgut klar kommen, zu der Berufsgruppe, deren Mailfächerimmerbrennen, gehören wir ja eigentlich nicht.

Narbe:Für einen Fußballer habe ich bisher großes Glück gehabt und bin bislang ohne Narbe davongekommen. Die einzige hat mir meine Schwester Helga zugeführt, da waren wir beide zehn und zwölf Jahre alt. Ich erinnere mich daran, dass ich irgendetwas gegessen habe, was sie gekauft oder für sich im Kühlschrank reserviert hatte. Was genau weiß ich nicht mehr. Mir war das nicht bewusst, aber sie hatvoller Wutmit einer Gabelnach mir geworfen. Undalsichdie abwehren wollte, hat siean meinemlinken Handgelenk eine gar nichtmalso kleine Narbe hinterlassen. Damals fand ich das gar nicht lustig, aber heute können wir darüber lachen. So würde ich immer und überall an sie denken, sagt meine Schwester.

Spanien:Da habe ich schonsehrcooleUrlaube verlebt. Ich warzweimal in Barcelona, einmal in der Nähe von Sevilla, einmal auf Fuerteventura. Die Strände sind schön, das Leben entspannt, der Flug nicht so weit – in Spanien bin ich wirklich gerne.

Ordnung:Grundsätzlich bin ich schon ein Mensch, der Symmetrie liebt. Liegt ein Blatt Papier schräg auf dem Schreibtisch, schiebe ich esautomatisch sohin, dass die Kanten gerade zueinander sind.Sindzwei Kerzenständer im Regal nichtgenau gleich ausgerichtet, lässtmir das keine Ruhe.Nur ein kleiner Tick, wie ich finde. Früher, zu Schulzeiten, war das viel schlimmer.Im Ranzen musstenalle Hefte und Bücher der Größe nach von hinten nach vorne sortiert werden, wie eine Treppe. Bevorich sie nicht genau so eingereiht hatte, konnte ich den Klassenraum nicht verlassen. So war es aber leicht für mich, zu erkennen, ob jemand ohne mein Wissen an meiner Tasche gewesen ist.Kein anderer Mensch würde schließlich seinen Ranzen so einräumen.

Mathe:Mein Vater, der auch David heißt, ist Naturwissenschaftler und Mathematik hat ihmimmerganz gutgelegen. Das habe ich wohl von ihm geerbt. Mathe hat mir lange Spaßgehabt, ich hatte das Fachals Leistungskurs und da ich mein Abitur geschafft habe, war ich darin wohl auch nicht so schlecht.An der Uni Frankfurt habe ich Mathesogarnoch in einem Online-Kurszwei Semester lang studiert, aber irgendwann bestand diese Welt ja mehr aus Buchstaben als aus Zahlen. Die Zahlenwarengefühlteines Tageseinfach weg. Und dann habe ich Mathematik auch immer weniger verstanden, das wurde mireinfachzu abstrakt.Student bin ich geblieben, allerdings für Wirtschaftswissenschaften an der Fernuni in Hagen.

Bußgeld:Besonders im vergangenen Jahr habe ich extrem viele Strafzettel bekommen, die kamen am Ende fast wöchentlich. Der Grund war eigentlich immer der gleiche: Falsches Parken. Warum? Mal war mir der Weg zum Automaten zu weit, mal stand er nicht in der Richtung,die ich einschlagen wollte, mal wollte ich nur kurz in ein Geschäft rein und blieb zu lange, mal war es schlicht auch Parken im Halteverbot. Ich bin auf jeden Fall eine Art Experte für die jeweilige Höhe des Bußgeldes geworden. Zwei Räder auf dem Bürgersteig beispielsweise kosten weniger als vier.

Imbiss:Zu Schulzeiten sind wir regelmäßig mittags in einen Imbiss gegangen. Ganz lustig war, dass der Besitzer uns irgendwann so gut kannte, dass er schon wusste, wer von uns seinen Döner mit Zwiebeln und ohne Tomaten haben möchte. Ich esse ihn gerne auf die klassische Weise, von mir aus können alle Zutaten rein – nur Weißkraut nicht.

Diesen Artikel teilen

Facebook
Twitter