Gekommen, um zu bleiben

Sebastian Heidinger will nicht mehr „Heidi“ heißen, aber ein Kieler werden

Sebastian Heidinger wechselte zu Saisonbeginn vom SC Paderborn zur KSV Holstein. Bei den Westfalen hatte der Außenverteidiger, der auf beiden Flügeln spielen kann, eigentlich einen Vertrag bis 2019 unterschrieben. Doch als die Störche in die 2. Liga flogen, bat der 31-Jährige die SC-Verantwortlichen um seine Freigabe. In Kiel will er, der als 16-Jähriger im Internat des FC Bayern München seine Reise durch die Fußballwelt begann, Wurzeln schlagen. Im Holstein Magazin spricht er über einen Spitznamen, den er gerne ablegen möchte, über das Frühstück mit Gerd Müller, seine Freundschaft zu Niklas Hoheneder und seinen neuen Nachbarn.

Spitzname: Seit meiner Jugendzeit werde ich „Heidi“ gerufen. Damals war das noch in Ordnung, aber inzwischen….Ich habe keine Ahnung, wie ich den wieder ablegen kann. Zu meiner Zeit bei der SpVgg Greuther Fürth hat das ganz gut geklappt, da kannte ich keinen. Aber in Paderborn ging es schon wieder los damit. Und hier in Kiel – mit dem Trainer und Niklas Hoheneder habe ich ja schon gemeinsam in einer Mannschaft gespielt – ist es nicht anders. Ich käme mir aber doof vor, wenn ich darum bitten würde, mich doch lieber „Basti“ zu nennen. Oder „Sebastian“. Wahrscheinlich muss ich mich einfach damit abfinden.

Ex-Vereine: Das waren einige. Wer auf meine Vita schaut, muss zu der Erkenntnis kommen, dass ich ein rastloser Typ bin. Aber das bin ich eigentlich gar nicht. Bei RB Leipzig war ich schließlich vier Jahre, aber danach hat es nicht mehr richtig gepasst. Und in einer solchen Situation habe ich dann immer eine neue Idee. Ich glaube aber, dass ich in Kiel einen Platz gefunden habe, an dem ich bleiben kann und werde.

Baby: Unser Baby, Franz, ist jetzt eineinhalb Jahre alt. Eine richtige Maschine, er kann nicht eine Sekunde still sitzen. Ob er Fußballer wird? Wenn, dann ein Linksfuß. B – das hätte auch Bayern sein können. Dort bin ich aufgewachsen, Bayern ist meine Heimat. Ich habe in der Jugend drei Jahre für den FC Bayern gespielt, als B-Jugendlicher unter Ottmar Hitzfeld. Wenn in der Liga Spieler fehlten, rückte ich in das Ersatztraining auf und spielte dort unter anderem mit Profis wie Sebastian Deisler. Ich erinnere mich noch gut daran, dass mein Vater meinen Wechsel zu den Bayern fast verhindert hätte. Als Wolfgang Dremmler, der damals als Scout für den FC gearbeitet hat, bei uns zu Hause anrief, weil er Interesse an mir hatte, legte mein Vater einfach wieder auf. Er hat nicht geglaubt, dass tatsächlich der FC Bayern am Apparat war. Zum Glück rief Wolfgang Dremmler noch einmal an.

Ausland: Eigentlich möchte ich in meiner Karriere noch einmal im Ausland spielen, aber es wird nicht einfacher, schließlich werde ich ja immer älter. Einmal gab es die Option, in Singapur zu spielen. Aber damals habe ich mich dann doch für die 2. Bundesliga entschieden. Wenn Ausland, dann sollte es auf jeden Fall ein Land sein, in dem es schön warm ist.

Senf: Süß muss er sein! Einmal im Monat brauche ich Weißwurst mit süßem Senf. In Kiel habe ich gerade entdeckt, dass es gegenüber der Sparkassen-Arena ein Restaurant mit bayerischen Spezialitäten gibt. Da werde ich demnächst einmal vorbeischauen. Vor zwölf Uhr natürlich, Weißwürste müssen vor zwölf gegessen werden.

Tattoo: Ich habe schon einige und es werden sicher noch mehr. Es fällt mir schwer damit aufzuhören, obwohl ich gerade erst gelesen habe, dass es für Profi-Fußballer ungesund sein soll! Ich habe als 18-Jähriger damit angefangen, der linke Arm ist meinen Eltern und meiner älteren Schwester gewidmet. Inzwischen habe ich eine eigene Familie, sie werde ich auf dem rechten Arm verewigen.

Ikea: Da ich relativ oft umgezogen bin, ist Ikea ein fester Anlaufpunkt für mich geworden. Früher habe ich noch den Fehler gemacht, meine Möbel am Wochenende zu kaufen. Aber dieser Fehler passiert mir nicht mehr – da fing das Drama ja schon damit an, dass es keine Parkplätze gab. Ikea ja, aber nur noch vormittags!

Abwehr: Ich habe meine Karriere als Offensivspieler begonnen, als Linksaußen. Aber in Leipzig hat mich der damalige Trainer Alexander Zorniger vor einem Halbfinale im Landespokal kurzfristig zum rechten Außenverteidiger umfunktioniert, weil die etatmäßige Besetzung sich im Abschlusstraining verletzt hatte. Ich habe schon in diesem Spiel dreimal die Seite gewechselt und bin anschließend Außenverteidiger geblieben. Sehr gerne übrigens..

Nachbarn: Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt habe ich für meine Familie und mich eine Wohnung gefunden. Ich werde Nachbar von unserem Kapitän Rafael Czichos. Er ist ja gerade Vater geworden, ich kann ihm also auf der Terrasse ein kühles Getränk rüberreichen, wenn er an der Reihe ist, auf den Nachwuchs aufzupassen. Hoffentlich sind die Wände zwischen unseren Wohnungen nicht zu dünn, damit wir nicht mitten in der Nacht vom Czichos-Nachwuchs aufgeweckt werden (lacht).

Hoheneder: Wir sind seit unserer gemeinsamen Zeit in Leipzig gut befreundet, bei ihm und seiner Familie habe ich bis vor einigen Wochen noch gewohnt – im „Hotel Hoheneder“. Er war auch ein Grund, warum ich mich für Kiel entschieden habe. Wir, die wir sonst mit unseren Familien immer im Winter Urlaub machen, waren vor dieser Saison erstmals gemeinsam im Sommerurlaub. Und da hat er von Kiel in höchsten Tönen geschwärmt. Er hat einen tollen Humor, ein Typ, den nichts aus der Ruhe bringt. Er macht sich zwar viele Gedanken, aber nach außen strahlt er immer große Gelassenheit aus. Auch für die Mannschaft ist er ein Ruhepol, hat immer einen lustigen Spruch auf Lager.

Eis: Das geht immer und zu jeder Tageszeit. Lieblingssorte? Stracciatella.

Italien: Dahin habe ich meinen ersten Roadtrip gemacht. Ich war gerade 18 Jahre alt und bin mit einem Mitspieler, der noch keinen Führerschein besaß, eineinhalb Wochen mit dem Auto durch Italien gefahren. Ich hatte meinen in München gemacht, was schon eine ganz ordentliche Vorbereitung auf diese Reise gewesen ist. Dachte ich zumindest. Aber Italien war dann für einen Anfänger noch einmal eine ganz andere Hausnummer. Ich erinnere noch, dass wir vor den Parkhäusern immer den Schlüssel abgeben mussten. Die waren so eng, da haben die Angestellten das Parken lieber selbst übernommen.

Dart: In Paderborn habe ich jeden Tag gespielt. Wir haben hier auf dem Trainingsgelände auch eine Scheibe, aber weil die so laut ist, störe ich die Kollegen. Darts habe ich schon als kleiner Junge geworfen. Und eines Tages fahre ich in der Weihnachtszeit zur WM nach London, das muss ein tolles Erlebnis sein.

Internat: Als 16-Jähriger bin ich in das Internat des FC Bayern gewechselt, das mit dem heutigen Campus nicht zu vergleichen gewesen ist. Aber auch für uns 13 Spieler, die aus allen Ecken der Welt kamen, gab es eine Rundumversorgung. Wir hatten ein Hausmeister-Ehepaar, eine Ersatz-Mutti, Unterricht in einer Partnerschule des Vereins und jeden Morgen kam Gerd Müller zum Frühstück vorbei. Von ihm habe ich mir gleich am ersten Tag ein Autogramm geben lassen, ein ganz feiner Mensch. Der Vorgänger in meinem Internatszimmer war übrigens Owen Hargreaves (Der englische Nationalspieler gewann u.a. die Champions League mit dem FC Bayern und Manchester United, d. Red.). Ich glaube nicht, dass ein Internat eine zwingende Notwendigkeit für einen Verein ist, aber wenn er auf Spieler setzt, die als Jugendliche für den Fußball ihre Heimat verlassen müssen, ist ein Internat natürlich extrem sinnvoll. Als 16-Jähriger allein in einer Wohnung, fern von der Familie und Freunden – das hört sich für mich nicht zielführend an.

Noten: Die haben durch den Fußball etwas gelitten, das muss ich ehrlicherweise einräumen. Ich hatte nur den im Kopf, deshalb war in der Schule Sport auch das einzige Fach, in dem die Noten gut waren. Und Deutsch hat mir Spaß gemacht, aber der Rest….Meine Eltern fanden das natürlich suboptimal, aber zumindest mein Vater konnte ein gewisses Verständnis für mich aufbringen.

Geburt: Eines meiner schönsten Erlebnisse war die Geburt von Franz. Er ist in einem Krankenhaus in Fürth zur Welt gekommen und ich durfte die ganze Zeit dabei sein. Wir spielten einen Tag später mit der SpVgg beim VfL Bochum. Ich fuhr der Mannschaft hinterher und direkt nach dem Abpfiff wieder zurück ins Krankenhaus. Wir spielten 1:1, das weiß ich noch.

Eltern: Meine Eltern, Anneliese und Robert, wohnen in der Nähe von Aschaffenburg. Meine ältere Schwester Daniela, die inzwischen auch eine eigene Familie hat, lebt in der gleichen Straße. Aschaffenburg zählt für viele nicht mehr zu Bayern, ab er es ist Bayern. Leider sehe ich alle viel zu selten, mit Kiel habe ich jetzt auch die bisher größte Entfernung zwischen sie und mich gelegt. Mein Vater hat auch gerne Fußball gespielt, als Linksfuß immer alle Ecken und Freistöße getreten. Ihm habe ich viel zu verdanken. Er hat mich dreimal in der Woche zum 25 Kilometer entfernten Trainingsgelände gefahren und ein viertes Mal am Spieltag. Auch als ich zum FC Bayern wechselte, rund 400 Kilometer von meinem Elternhaus entfernt, war er bei jedem meiner Spiele dabei. Auch heute schaut er alle zwei bis drei Wochen vorbei, auch bei unserem Spiel in Regensburg saß er auf der Tribüne.

Rotwein: Wie Eis: Ein gutes Glas Rotwein geht immer. Schwer muss er sein und am liebsten aus Italien. Viele denken ja, dass die Bayern alle Biertrinker sind. Aber ich bin in einem kleinen Weingebiet aufgewachsen – das prägt.

Diesen Artikel teilen

Facebook
Twitter