KSV digitalisiert Blindenradio – „Wir sind die Augen der Menschen, die das Spiel nicht sehen können“

Karl Elbl (li.) und Christian Berg sind zwei unserer insgesamt sieben aktiven ehrenamtlichen Blindenreporter

Bereits seit über neun Jahren bietet unser Verein ein Blindenradio an. Damit unsere sehgeschädigten und blinden Fans die Heimspiele unserer Störche im Holstein-Stadion zukünftig noch intensiver miterleben können, haben wir in dieser Saison den Empfangsweg digitalisiert und die alten, „analogen“ Empfänger gegen eine App-Lösung getauscht. In diesem Zuge wurde auch in neues Übertragungs- und Kommentatoren-Equipment investiert. Somit können die Nutzer einfach und unkompliziert ihr eigenes Smartphone und die entsprechende App nutzen – und zwar unabhängig davon, wo sie im Stadion sitzen. Wir haben mit Karl Elbl und Christian Berg zwei unserer insgesamt sieben aktiven ehrenamtlichen Blindenreporter bei einem Heimspiel begleitet.

„Arp legt den Ball in den Lauf von Holtby, Holtby geht in den Strafraum – und wird gefoult, er wird gefoult! Es gibt Elfmeter für Holstein! Skrzybski hat sich den Ball hingelegt – und er trifft! Er verlädt Stritzel und schiebt den Ball flach ins rechte Eck. Jetzt wollen wir mal sehen, wie die Wiesbadener Antwort aussehen wird. Jetzt müssen sie ihre tiefe Kette vielleicht etwas aufgeben!“ – Wenn man diese Sätze liest, ist man direkt dabei. Mittendrin. Noch einmal in der Szene des 15. Spieltages, als Lewis Holtby im Heimspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden in der 18. Minute von Gino Fechner gefoult wurde, sodass Steven Skrzybski den fälligen Elfmeter zur zwischenzeitlichen 1:0-Führung für unsere Störche verwandeln konnte.

Gesagt – oder besser kommentiert – hat diese Sätze Christian Berg, einer von sieben aktiven ehrenamtlichen Blindenreportern unseres Vereins. An diesem kalten Dezembertag ist der 55-Jährige im Holstein-Stadion im Einsatz, um gemeinsam mit Karl Elbl die Live-Reportage für sehgeschädigte und blinde KSV-Fans zu liefern. Während diese auf der Osttribüne sitzen und per App eine permanente, simultane, exakte und bildhafte Beschreibung des Spiels erhalten, steht das Duo Berg/Elbl, von dem jene Infos kommen, mit Headsets ausgestattet auf der Haupttribüne. Sie haben zwar Sitzplätze, nutzen diese aber nicht, sondern stehen während der gesamten 90 Minuten. „Einerseits hat man so eine bessere Sicht auf das Geschehen auf dem Platz. Außerdem müssen wir immer in Bewegung sein“, berichtet Berg grinsend. Das liegt nicht etwa daran, dass an diesem Tag Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt herrschen und abgesehen vom satten Grün des Spielfeldes alles schneedeckt ist, sondern am großen Enthusiasmus der beiden Ehrenamtler. Ihnen – und dadurch auch ihrer Live-Reportage – ist anzumerken, dass sie ihrer Aufgabe mit viel Freude und Leidenschaft nachgehen. Elbl und Berg sind große Fußballfans und auch schon seit vielen Jahren eingefleischte Holstein-Fans, aber nicht nur das treibt sie an.

„Es geht mir um Teilhabe“, macht Elbl, der jahrzehntelange Erfahrung als Pädagoge und Rehabilitationslehrer mitbringt, deutlich. „Uns geht es darum, auch Menschen, die gar nicht oder nur eingeschränkt sehen können, ein tolles und möglichst umfassendes Stadionerlebnis zu ermöglichen“, erklärt der 69-Jährige. Hierzu gehört es auch, sowohl das Spielgeschehen als auch Details drumherum zu beschreiben. „Holstein Kiel wie immer in Blau-Weiß-Rot gekleidet, Wiesbaden in weißen Shirts und schwarzen Hosen“, beginnt Berg sachlich, hat jedoch auch Zeit für vermeintliche winterliche Nebensächlichkeiten, die aber eben auch einen Stadionbesuch zu einem Erlebnis machen: „Wenn wir hier über das Stadiondach blicken, sehen wir ein tolles Ambiente, ein Winterwunderland. Aber wir wollen ja die Christbaumkugeln im Tor klingeln hören.“

Ein weiterer wichtiger Faktor ihrer Live-Reportage ist die Verortung. „Holstein Kiel spielt auf euch zu“, spricht Elbl die ZuhörerInnen direkt an. Kurz nach Spielbeginn dann: „Jetzt gibt es links vor euch den ersten Eckball.“ Ebenso wie ihre KollegInnen wurden sie, bevor sie das erste Mal ein Spiel kommentierten, von Experten professionell geschult, um das Sehen optimal in Sprache umsetzen zu können. „Wir sind die Augen der Menschen, die das Spiel nicht sehen können“, bringt es Berg auf den Punkt.

Nach 90 umkämpften Minuten steht ein 3:2-Heimsieg unserer KSV zu Buche. Elbl und Berg sind zufrieden, ihre ZuhörerInnen sind es mit Sicherheit auch – und zwar nicht nur wegen des guten Ergebnisses, sondern vielmehr, weil sie erneut ein Heimspiel ihrer Lieblingsmannschaft „durch die Augen“ der Reporter miterleben und genauso mitleiden, mitjubeln und am Ende mitfeiern konnten wie jeder andere Fan im Stadion auch.

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