Fußballträume eines Kreativspielers

Neuzugänge im Portrait –

Teil 7: Stephen Kanu Famewo

Insgesamt sechs Stunden lang dauerte das Abendgebet, dem der Nigerianer Stephen Kanu Famewo während seines Heimaturlaubs in der Sommerpause zusammen mit seinen Eltern und drei seiner insgesamt vier Schwestern in einer mit 350 katholischen Gläubigen vollbesetzten Kirche beiwohnte. „Die Feier begann erst abends um 22.30 Uhr“, weiß der 23-Jährige zu berichten und glaubt, „dass sich bei den geöffneten Fenstern wohl ein Moskito in das Gotteshaus geschlichen haben muss.“ Anders kann sich Famewo nicht erklären, warum er aus der Heimat eine leichte Malaria-Erkrankung mit an die Förde bringen konnte, die ihm in den ersten Trainingswochen arg zu schaffen machen sollte.

Pünktlich zum Blitzturnier im Holstein-Stadion meldete sich der ehemalige Junioren-Nationalspieler Nigerias zurück und wusste bei seinem Auftritt gegen den HSV durchaus zu gefallen. Trotz der krankheitsbedingt sicherlich noch fehlenden Ausdauer und Spritzigkeit deutete Famewo vor den über 4.000 Zuschauern bereits an, warum ihn Peter Vollmann in die Landeshauptstadt gelockt hat. „Stephen ist ein kreativer Typ, der Spiele ganz allein entscheiden kann, aber auch ein Auge für Mitspieler besitzt und mit einer guten körperlichen Grundlage seine überdurchschnittlichen Fähigkeiten voll ausspielen wird“, so Vollmann. „Derzeit sehe ich Stephen bei 70 %“, hofft Vollmann darauf, den technisch beschlagenen Offensivspieler bis zum Saisonauftakt am 10. August an seine volle Leistungsfähigkeit heranzuführen.

Dass der pfeilschnelle und überaus zweikampfstarke Kreativspieler Fertigkeiten besitzt, die ihn unter Giovanni Trapattoni schon in den Stuttgarter Bundesliga-Kader aufrücken ließen, weiß der Kieler Trainer natürlich nur zu gut und lässt Famewo (noch) alle Zeit, um den Anschluss herzustellen. Integrationsprobleme gab es für den 1,85 m großen Modellathleten an der Förde ohnehin nicht. Erst sechs Jahre in Deutschland, spricht Famewo, dessen Vater in der nigerianischen Heimat im Alter von 71 Jahren noch immer eine Privatschule leitet, mit Englisch, Afrikanisch, Französisch und Deutsch gleich vier Sprachen ausgezeichnet.

Neben seinen spielerischen Qualitäten und einem großen Fußball-Herzen wirft Famewo also auch seinen Verstand mit in die Waagschale. Diese Kombination führte ihn aus seiner afrikanischen Heimatstadt Lagos Ende der 90er über eine Fußballschule nahe der französischen Stadt Leon bis in die Bankenmetropole Frankfurt zur dortigen Eintracht. Dort debütierte er am 9. Februar 2002 bereits als 18-jähriger in der Zweitliga-Partie gegen den Karlsruher SC. Sechs Wochen später traf er bei seinem vorerst letzten Einsatz in der Bundesliga gegen die SpVgg Unterhaching zum 2:0 für die Eintracht. Danach lief es für Famewo nicht mehr so rund am Main. Nach einer unglücklichen Saison bei der Frankfurter Regionalliga-Mannschaft wechselte der Nigerianer für drei Jahre zum VfB Stuttgart. Dort stand er ein Jahr lang Seite an Seite mit seinem heutigen Kieler Sturmpartner Dmitrijus Guscinas auf dem Rasen, doch der erhoffte Sprung in die 1. Bundesliga blieb trotz zahlreicher Fürsprecher aus.

Der Wechsel zum SV Wehen, ein Kreuzbandriss, das Abenteuer beim Regionalligisten SV Wilhelmshaven – Famewo hat zuletzt so einiges mitgemacht. „Manchmal ist es besser zwei Schritte zurück zu machen und einen neuen Anlauf zu nehmen“, hofft Famewo mit dem Wechsel nach Kiel auf einen Neuanfang. „Ich möchte so schnell wie möglich in die 3. Liga“, hat sich Famewo für seinen zwei Jahre laufenden Vertrag hohe Ziele gesetzt. „Aber wenn ich mir die Bedingungen hier so anschaue und mit anderen Profivereinen vergleiche, dann kann langfristig nur die 2. Liga das Ziel sein“, zeigt sich Famewo vom Kieler Umfeld äußerst angetan.

„Stephen ist noch ein sehr junger Spieler, der sich seine Fußball-Träume noch erfüllen kann“, will Trainer Vollmann die Euphorie seines Schützlings in keinster Weise dämpfen, doch will er mithelfen, Famewo zu der körperlichen Stabilität zu führen, die ihm seinen Weg zu spielerischer Konstanz ebnen könnte. Denn für einen Sportler, der erst mit 13 Jahren in der Schule zum ersten Mal in einer Fußball-Mannschaft stand, hat Stephen Kanu Famewo schon eine ganze Menge erlebt. Das muss noch lange nicht das Ende sein. (Patrick Nawe)

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