45 Jahre Zweitliga-Aufstieg

Holsteins ewiger Rekordtorjäger Gerd Koll (Mitte) führte seine Störche 1978 als Trainer in die 2. Liga Nord.

Nachdem die Kieler Störche die Qualifikation zur neuen, zweigeteilten 2. Liga 1974 verpasst hatten und erstmals in der Vereinsgeschichte nur noch drittklassig spielten, war der Traditionsverein in den 70ern immer weiter in wirtschaftliche Schieflage geraten. Auch der Holsteinplatz verfiel zunehmend. Ein möglicher Aufstieg lag in weiter Ferne.

Als Trumpf im Ärmel des schlingernden Traditionsclubs erwies sich die in den 1970er-Jahren herausragende Jugendarbeit. Talente wie Thorsten Neumann, Stefan Dietrich, Burkhardt Lüben, Jürgen Retza, Klaus Pötzke, Harry Witt und die Tönsfeldt-Brüder Volker und Dietmar schafften den Sprung in den Ligakader. „Himmelsstürmer“ Axel Möller verbreitete in der drittklassigen Oberliga Nord bereits als 17-Jähriger Angst und Schrecken. Verstärkt mit Glücksgriffen aus der Region wie Immo Stelzer (Schleswig 06) und Bernd Jordt (Flensburg 08) gelang in der zweiten Zweitliga-Aufstiegsrunde 1978 der große Coup. Nach einem Aufstiegsrunden-Marathon von sage und schreibe neun Spielen wurde der 17. Juni 1978 zu dem Tag der Tage. Gegen die bereits als Zweitliga-Aufsteiger feststehende Elf von Wacker 04 Berlin musste vor über 13.000 Zuschauern auf dem Holsteinplatz unbedingt ein Sieg her. Und die Störche enttäuschten ihre Fans nicht. Wulf-Dieter „Wölfi“ Hansen markierte in der 26. Minute das Tor des Jahrzehnts für die KSV. „Es kam ein Pass von Bernie Jordt aus dem Mittelfeld. Ich hielt aus knapp 16 Metern einfach drauf und der Ball rauschte vorbei am Berliner Verteidiger Fetkenheuer in die Maschen. Danach feierten die Zuschauer uns mit südländischer Begeisterung.“ So hat es sich ins Gedächtnis von Wulf-Dieter Hansen eingebrannt – bis heute. Holstein war als erster schleswig-holsteinischer Verein im 1974 gegründeten, zweigleisigen Bundesliga-Unterhaus.

In der Aufstiegsrunde zur 2. Liga Nord konnten die Fans noch bis an den Spielfeldrand heranrücken.

Wulf Dieter Hansen erzielte am 17. Juni 1978 das wichtigste Holstein Tor der 70er Jahre.

Feierabendkicker unter Profivereinen

In Kiel begann damit eine neue Fußball-Zeitrechnung. Nun hießen die Gegner plötzlich Hannover 96, Bayer Leverkusen, Rot Weiß Essen, FC St. Pauli und später auch Werder Bremen oder Hertha BSC. Von Profifußball war die Rede, doch die Rahmenbedingungen bei Holstein zeugten noch immer von echtem Amateursport. Lange wusste man nicht, ob die Sanierungsarbeiten am Holstein-Stadion rechtzeitig zum ersten Heimspiel gegen Westfalia Herne beendet sein würden. Und in punkto Trainingsbedingungen musste Trainer Kuno Böge, der den hauptberuflich als Lehrer tätigen Gerd Koll nach dem Aufstieg als Trainer abgelöst hatte, äußerst einfallsreich sein. Die „Sandwüste“ am Fögeplatz war genau wie der Marine-Sportplatz, der Platz im Fliegerhorst Holtenau, die Spielwiese der Hebbelschule, der Uni-Sportplatz oder auch der Schulsportplatz am Elendsredder bei weitem nicht zweitligatauglich. Doch die zum Teil indiskutablen Bedingungen gerieten nach dem Aufstieg zur Kultivierung altbekannter Holstein-Tugenden. „Eigentlich waren alle besser als wir“, erinnert sich Holstein-Urgestein Thorsten Neumann, fügt aber selbstbewusst hinzu: „Das haben wir damals mit unserem unbändigen Willen und Kampfgeist mehr als wett gemacht.“ Die junge Kieler „Studententruppe“, die ihre konservative Clubführung um den Vorsitzenden Karl-Heinz-Brandt und „Manager“ Peter Salman nicht nur mit „langen Haaren, Ohrringen, revolutionären Gedanken“ (O-Ton Immo Stelzer) und hartnäckigen Prämienverhandlungen ein ums andere Mal auf die Palme brachte, legte im maroden Holstein-Stadion die Grundlage für den Klassenerhalt.

Dieter Wendland im ersten Zweitliga Heimspiel der Störche im August 1978 gegen Westfalia Herne.

Feierlichkeiten nach Holsteins Zweitliga Aufstieg am 17. Juni 1978.

Auswärts startete die KSV mit 0:10 Punkten und 0:11 Toren. Doch auf dem Holsteinplatz waren die Störche eine Macht. Einzig der spätere Meister und Bundesliga-Aufsteiger Leverkusen gewann in der Hinrunde in Kiel. Und nicht nur bei den Erfolgserlebnissen gegen Hannover 96 (2:1 vor 15.000 Zuschauern), den FC St. Pauli (2:1 vor 13.000) und Rot-Weiss Essen (2:2 vor 14.000) waren die Kieler Zuschauer der zwölfte Mann. Das lange Warten auf Spitzenfußball entlud sich auf den prall gefüllten Rängen in zahlreichen emotionalen Feuerwerken. Knapp 10.000 Zuschauer verfolgten in der Vorrunde durchschnittlich die Heimspiele, am Ende lag der Schnitt entgegen des allgemeinen Trends rückläufiger Zuschauerzahlen im deutschen Fußball bei stolzen 8.150 Besuchern – nur Meister Leverkusen hatte mehr. Der damalige Kieler Zweitliga-Rekord von 15.000 Zuschauern gegen Hannover 96 wurde erst im September 2019 geknackt – erneut gegen Hannover.

Der Weg in die 2. Liga Nord

Qualifikation:

Holstein Kiel – FC Paderborn 2:2 – 5.400 Zu.
FC Paderborn – Holstein Kiel 2:2 – 6.000 Zu.
Holstein Kiel – FC Paderborn 5:3 i.E. 1.000 Zu. (in Osnabrück)

Aufstiegsrunde:

Wacker 04 Berlin – Holstein Kiel 3:3 – 2.200 Zu.
Holstein Kiel – OSV Hannover 3:2 – 9.000 Zu.
Olympia Bocholt – Holstein Kiel 3:2 – 3.500 Zu.
Holstein Kiel – Olympia Bocholt 1:0 – 8.000 Zu.
OSV Hannover – Holstein Kiel 2:1 – 1.000 Zu.
Holstein Kiel – Wacker 04 Berlin 1:0 – 13.000 Zu.

Abschlusstabelle:

1. Wacker 04 Berlin +29:7 Pkt.
2. Holstein Kiel   +19:7 Pkt.
3. OSV Hannover  +26:6 Pkt.
4. Olympia Bocholt  -54:8 Pkt.

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